"Kirche muss hinausgehen ..."
Beim Abschlussgottesdienst zum Missionsfest hielt die brasilianische Austauschpastorin des ELM ein kraftvolles Plädoyer für eine missionarische Kirche.
Mit einem feierlichen Gottesdienst in der Großen Kreuzkirche ging am Sonntagvormittag das diesjährige Missionsfest zu Ende. Gestaltet wurde er von Pastor Simon Volkmar von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), der Ökumenischen Austauschpastorin des ELM aus Brasilien, Cristina Scherer, dem Posaunenchor der Hermannsburger evangelischen Kirchengemeinden sowie der Kantorei der SELK.
Bibeltexte, die auf den ersten Blick eher nicht dazu aufrufen, mit missionarischem Eifer die Welt zu verändern, standen in der ersten Hälfte des Gottesdienstes im Mittelpunkt. "Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden." (Römer 12,18) "Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt." (Lukas 6,37) "Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr?" (Lukas 6,41).
Da könnte man leicht auf die Idee kommen, Glaube bestehe darin, es sich zuhause gemütlich zu machen und möglichst niemandem zu schaden. Dass das ein Missverständnis sein könnte, machte dann Cristina Scherer in ihrer Predigt deutlich. "Es ist die Aufgabe der Kirche, die Liebe Gottes zu verkünden ... Es ist auch eine der Aufgaben der Kirche, sich den zahllosen Formen von Gewalt, Unterdrückung und Repression entgegenzustellen, das Böse und die Ungerechtigkeit anzuprangern, die Schwachen, Bedürftigen, Hilflosen und Ausgegrenzten zu unterstützen, allen ohne Unterschied zur Seite zu stehen", erklärte sie.
Kirche zu sein und Mission zu betreiben sei nicht möglich, ohne Risiken einzugehen, ohne hinauszugehen um den Menschen zu begegnen, "als liebende, ermutigende und motivierende Präsenz." Auf diesem Weg gehe es darum, zu glauben und zu bekennen, dass das Gute und die Liebe stärker seien als die bösen Kräfte dieser Welt.
Wie das konkret aussehen kann, machte die Pastorin an dem brasilianischen Priester Júlio Lancellotti deutlich, der sich in Sao Paulo um Obdachlose kümmert und sagt: "Ich kämpfe nicht, um zu gewinnen. Ich weiß, dass ich verlieren werde. Ich kämpfe dafür, bis zum Ende treu zu sein". "Lasst uns mehr Mut haben, dem Evangelium treu zu sein", rief Cristina Scherer die Gottesdienstbesucher*innen auf. Sie berichtete auch von Jullyene Lins, einer brasilianische Verteidigerin von Frauen, Kindern und Minderheiten. Sie sage: "Ich habe große Angst vor dem Sterben, ermordet zu werden. Aber gleichzeitig mit der Angst habe ich auch die Kraft zu kämpfen." Oder, wie es im Johannes-Evangelium steht: , "Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus", (Johannes 4,18).
Am Ende steht der Brückenschlag zwischen dem christlichen Glauben und seiner Umsetzung in der Welt: "Schwestern und Brüder, lasst uns mehr Mut haben, eine missionarische Kirche zu sein, die sich auf den Weg macht. Nicht um jedes Mal zu gewinnen, sondern aus der unermesslichen Freude heraus, der Predigt und der Verkündigung des Reiches Gottes treu zu bleiben", lautete Scherers Appell. Vor diesem Hintergrund sieht sie die 175-jährige Geschichte des Missionswerks und seine Zukunft positiv, denn es sei Teil einer Kirche, die sich bewege, und heute mit Menschen aus den weltweiten Partnerkirchen gemeinsam auf dem Weg sei.