Kirche im Krieg - ein Bericht aus der Ukraine
„Hab keine Angst“ lautet ein Grundsatz, den Kirche Menschen im Krieg vermitteln möchte.
Kirche im Krieg, darüber berichtete am 20. September Pastor Alexander Gross aus der Ukraine. Der Seelsorger ist auch Synodenpräsident der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine sowie stellvertretender Bischof. Er lebt in der Nähe von Odessa und ist für fünf ev.-luth. Gemeinden zuständig, darunter auch im stark zerstörten Cherson. In der Hannoverschen Auferstehungskirche sprach er auf Einladung des ELM und des Gustav-Adolf-Werkes. Einige Interessierte waren der Einladung dorthin gefolgt, andere verfolgten den Vortrag und die anschließende Diskussion über Zoom.
"Hab keine Angst", lautet der erste von vier Leitsätzen, die Gross den Menschen in der Kriegsregion mit seinen kirchlichen Angeboten ans Herz legen möchte. Allein die Tatsache, dass die Menschen während des Gottesdienstes eine Stunde lang nicht gebannt von aktuellen Kriegsnachrichten auf ihr Handy schauen, trage dazu bei, Angst zu reduzieren und damit auch Hass. Denn wenn Angst da ist, ist der Hass nicht weit, so Alexander Gross.
"Sei nah" lautet die zweite Grundregel für Kirche im Kriegsgebiet. "Wir wollen für alle da sein, auch für die, die anderer Meinung sind", so der Pastor. Am Anfang des russischen Einmarsches habe es noch Menschen gegeben, die auf Putin gesetzt hätten und darauf gewartet hätten, dass nun alles besser werde. Die sagten jetzt aber nichts mehr. Seine Mitarbeiterin besuche Menschen auch zuhause, rund 70 Personen pro Woche. Die Kirche unterstütze Bedürftige mit Lebensmitteln, Medikamenten und Geld.
"Gib Hoffnung" lautet der dritte Grundsatz für Alexander Gross. "Jede Krise hat ein Ende", so seine Devise. Einerseits möchte er den Menschen Mut machen, nicht aufzugeben. So habe die Kirche trotz des Risikos, dass sie gleich wieder zerstört werden, drei Spielplätze gebaut. Gerade unter den schwierigen Lebensbedingungen des Krieges stehe immer der aktuelle Moment im Fokus, an dem man alles machen müsse, was möglich sei.
"Sei ehrlich", ist ebenfalls ein Leitsatz für die kirchliche Arbeit. Es gehe darum, Manipulation und Propaganda zu widerstehen und kritisches Denken zu schulen. Gross sagt aber auch: "Wir sprechen wenig über Politik. Unsere Aufgabe ist, Gottes Wort zu verkünden, Barmherzigkeit und Hoffnung zu predigen."
Rege Nachfragen schließen sich an seinen Vortrag an. "Not lehrt beten. Ist Krieg glaubensstärkend?", will ein Zuhörer wissen. "Nein", sagt Gross. "Wer ohne Glauben war, ist auch im Krieg ohne Glauben geblieben. Aber die, die zu einer Gemeinde gehörten und noch im Land seien, gingen öfter in die Kirche als früher." "Woher bekommen Sie Unterstützung für Ihre Arbeit?", will ein weiterer Besucher wissen. "Ich arbeite mit vielen Kirchen, nicht nur in Europa zusammen und bekomme von ihnen Geld", so Gross. Auch Menschen aus der Ukraine unterstützten seine Kirche finanziell.
Am Morgen hatte sich der Ukrainer mit den beiden ELM-Referenten Bradn Buerkle und Waldemar Rausch, ELM-Direktor Dr. Emmanuel Kileo sowie dem Bischof der Hannoverschen Landeskirche, Ralf Meister, in Hermannsburg getroffen. Der Bischof zeigte sich offen für eine Zusammenarbeit mit der ukrainischen Kirche, die auch Unterstützung beinhalten könne. "Sie glauben nicht, wie wir uns freuen. Damit könnten wir Menschen helfen", betonte Alexander Gross. Ebenso hofft er aber auch, dass Menschen in Deutschland für ihre Glaubensgeschwister in der Ukraine beten und sich solidarisch zeigen.