Baustelle Frieden

Mit mehreren Workshops und einem Infostand hat sich das ELM bei einer Fortbildung für Religionslehrer*innen eingebracht. Mit dabei waren auch Landesbischof Ralf Meister und Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg.

"Baustelle Frieden" lautete das Thema des Lehrkräfteforums der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers am 6. Dezember im Congress Centrum Hannover. Die Veranstaltung wird in jährlichem Wechsel für Schüler*innen bzw. Lehrkräfte gestaltet und richtet sich an Teilnehmende aus ganz Niedersachsen. "Wir wollen Lehrkräften Mut machen, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen und Friedenserziehung zu verwirklichen. Und wir wollen dabei Haltung zeigen", fasst Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track das Ziel zusammen. Im Vorbereitungsteam arbeiten das ELM, vertreten durch Dr. Mirjam Laaser, Abteilungsleiterin Internationale kirchliche Zusammenarbeit, das Religionspädagogische Institut in Loccum, das Haus kirchlicher Dienste sowie die Evangelische Akademie Loccum zusammen um jedes Jahr aufs Neue hochkarätige Referent*innen mit inspirierenden und Hintergrundwissen vermittelnden Themen zu gewinnen.  Als wohl prominenteste Rednerin sprach am Vormittag Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Bündnis 90/Die Grünen) unter anderem über das aus ihrer Sicht vorbildhafte Kooperationsmodell des überkonfessionellen christlichen Religionsunterrichts in Niedersachsen. Das Trennende zu überwinden und das Verbindende hervorzuheben, das sei hier gelungen, so die Ministerin.

Mit einem neunköpfigen Team war das ELM den ganzen Tag über gut vertreten. Am Infostand auf dem "Markt der Möglichkeiten" informierte Christoph Kühne über Projekte der Partnerkirchen, über den Freiwilligendienst des ELM für junge Erwachsene oder auch die Angebote der "Werkstatt ökumenisches Lernen", die sich an Konfirmandengruppen richten. "Ich habe auch viele Gespräche geführt mit Menschen, die mit dem ELM schon mal im Ausland waren, zum Beispiel als Freiwillige in Südafrika oder Indien", freut sich der Referent Jugendarbeit und Globales Lernen über die Begegnungen. Hinter ihm hängt die Weltkarte in der so genannten Petersprojektion, auf der die Flächen der Kontinente in einheitlichem Maßstab und damit in ihren realen Größenverhältnissen abgebildet sind. Afrika beispielsweise sieht hier viel größer aus als auf der häufig verwendeten Mercator-Projektion. "Das provoziert natürlich auch  Kommentare", stellt Kühne fest, der sich über mangelndes Interesse nicht beklagen konnte.

"Meine Hoffnung ist, dass wir klarmachen können, wie unterschiedlich die Sichtweisen auf Frieden sind", sagt Waldemar Rausch, der am Nachmittag gemeinsam mit Bradn Buerkle einen Workshop zum Thema „Russland hinter den Kulissen – Einblicke in einen ‚totalitären‘ Alltag. Wie kann ich dem fair begegnen?" anbietet. Eine der Teilnehmerinnen, Pastorin und Lehrerin in Osnabrück, fasst ihre Situation so zusammen: "Ich habe russische und ukrainische Schüler*innen. Der Konflikt ist im Klassenzimmer präsent. Ich fühle mich da etwas hilflos." Im Workshop arbeitet die Gruppe mit Fotografien. Die Teilnehmerinnen wählen eines der höchst unterschiedlichen Motiv aus und erläutern mit Blick darauf, welche Assoziation zum Thema Frieden es bei ihnen weckt. Bahngleise und -weichen, eine Hügellandschaft mit Weinbergen, eine Kirche und eine armenische Nationalflagge – all das kann Gedanken und Ideen zum Frieden wecken, stellt sich heraus. "Jeder sagt was anderes. Auch das macht Frieden aus, dass jeder zu Wort kommt und wir die Unterschiedlichkeit wahrnehmen. Und auszuhalten, dass wir unterschiedlich sind, kostet Kraft", fasst Waldemar Rausch zusammen. Religion könne ein Fach sein, "in dem man lernen kann, den anderen auszuhalten".

So ähnlich hat es auf einer der Bühnen, auf denen am späten Vormittag Podiumsdiskussionen stattgefunden haben, Landesbischof Ralf Meister formuliert: "Pluralität, Diversität, ist anstrengend." Respekt dem anderen gegenüber, ist ein entscheidender Faktor, wird hier deutlich.

Diesen Punkt diskutieren auch die Teilnehmenden des Workshops von Ingrid Lüdemann. "My Peace – neue Symbole für den Frieden" lautet das Thema hier. An der Wand hängen mehrere Stoffbanner, auf denen Internationalität, Frieden und Verständigung graphisch dargestellt sind. Zunächst geht es im Gespräch um verschiedenste Aspekte von Frieden: Innerer und äußerer Friede, was hat Frieden mit Vergebung zu tun, wie kann man Frieden aktiv gestalten? Und wieso erfordert Frieden immer Respekt vor dem oder der anderen? Auch beim gemeinsamen Erarbeiten eines Symbols muss das Trennende überwunden und ein gemeinsamer Weg gesucht werden.

Auf Menschen und Gemeinschaften, die bereits erfolgreich Friedens-Utopien umgesetzt haben, blicken die Teilnehmenden im Workshop mit Tobias Schäfer-Sell unter dem Titel "Buen Vivir – Konkrete Utopien des guten Lebens". Initiativen für Gemeinwohlökonomie, die Lebensweise der 'Amish' in Nordamerika, Mehrgenerationenhäuser oder auch die ecuadorische Verfassung, die den Schutz der Natur auf besondere Weise verankert, werden als Beispiele genannt und diskutiert. Der Schritt zum Frieden beginnt mit kleinen Schritten und Kinder haben dazu oft gute Ideen, wissen die Lehrkräfte. Das Forum könnte ihnen Rückhalt bieten, wenn sie diese Inhalte in den Unterricht einbringen. "Ich fand es ermutigend, weil ich an meiner Schule oft das Gefühl habe, ich bin die Einzige, die solche Ideen im Kopf hat", sagt eine Teilnehmerin des Workshops.

Ein konkretes Beispiel für Friedensarbeit stellen zwei ehemalige Freiwillige des ELM in ihrem Workshop vor. "Dient ein Freiwilligendienst dem Frieden?", fragen Carolin Schauer und  Celine Junker, die jeweils ein Jahr in kirchlichen oder diakonischen Einrichtungen in Südafrika bzw. Argentinien mitgearbeitet haben. Wenn man Friedensarbeit mit Verständigung und Perspektivwechsel gleichsetzt, kann man diese Frage mit einem klaren "Ja" beantworten.



 

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