Wann hast du das letzte Mal Brokkoli gegessen?
F2GO-Friedenscamp: Warum ein Gemüse etwas mit den Methoden zu tun hat, einen Workshop zu gestalten, weiß ELM-Referentin Ingrid Lüdemann.
Mein Handy kündigt eine neue Nachricht an. Ich schaue nach und muss schmunzeln. Ein neues Brokkoli-Bild in der F2GO-Camp-Gruppe, diesmal von Karunya aus Indien.
Was mit einer harmlosen Frage in einer ersten kreativen Kontakaufnahme (lebendige Statistik) am Anfang des Camps begann („When last did you have broccoli?“) ist zu einer Art Running Gag in der WhatsApp-Gruppe geworden und immer wieder neue Bilder von Brokkolimahlzeiten lassen uns virtuell gemeinsam lachen.
So viel Zeit muss sein
Vieles lässt sich leichter teilen, wenn man schon mal miteinander gelacht hat – besonders bei Themen, bei denen es ans „Eingemachte“ geht, wie Armut und Frieden. Spaß und Leichtigkeit gehören für mich bei einer Bildungsveranstaltung unbedingt dazu.
Und eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre kann leichter entstehen, wenn man auch Persönliches mitteilt – miteinander teilt. Kreative und interaktive Voraussetzungen dafür zu schaffen, ist für mich die wesentliche Aufgabe eines ersten Seminartages, denn die Einstiegsrunden sind entscheidend für das Gelingen des gesamten Gruppenprozesses, dafür, dass aus Fremden eine Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel wird. Besonders, wenn die Teilnehmenden - wie in unserem Fall - nicht nur zum ersten Mal aufeinandertreffen, sondern auch aus ganz unterschiedlichen Ländern kommen, unterschiedliche Sprachen sprechen.
In einem interkulturellen Kontext wie dem F2Go-Camp gehört zum Kennenlernen nicht nur dazu, Namen zu lernen und zu behalten, sondern sie auch richtig auszusprechen (gar nicht so einfach, wenn man so ähnlich klingende Namen wie Margret (aus Deutschland) und Margit (aus Brasilien) hat – die meiste Zeit brauchten wir jedoch dafür den Namen „Sindzile“ zur Zufriedenheit ihrer Besitzerin richtig auszusprechen. Aber, so viel Zeit muss sein…
Damit aus Fremden eine Gruppe wird
Zu der ganz normalen Anfangsunsicherheit, die jede Gruppe erlebt, kam im Fall der F2GO-Delegierten am ersten Tag sicherlich auch noch ein nicht zu unterschätzender Druck, schließlich waren alle von ihren Kirchenleitungen delegiert worden, mit der Erwartung ihre Kirche zu vertreten. „Werde ich auch niemanden enttäuschen? Kann ich alle Fragen beantworten?“ – diese ungestellten Fragen zu beantworten, Erwartungen zu klären und Sicherheit zu vermitteln, gehört zum Seminarbeginn dazu! Und das geschieht am leichtesten, wenn ich auch Persönliches erfahre und teile – so dass aus Fremden eine Gruppe wird. Das passiert anfangs leichter in Kleingruppen. In von mir mittels verschiedener Schokoladen-Bonbons eingeteilter Vierergruppen haben sich die Delegierten in ein Rechteck über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausgetauscht, wodurch wir u.a. erfahren haben, dass wir alle Lutheraner*innen sind, Sinn für Humor haben, miteinander lernen wollen, wer Farmer ist und welche Person eine Lutherrose als Tattoo hat, vier Sprachen spricht, gut singen kann, schwierige Bildungsvoraussetzungen hatte, durch ein Stipendium der Kindernothilfe studiert hat, zum ersten Mal im Ausland ist, und wer keinen Broccoli mag.
Feedback geben: Von Streichholzrunden und Schneeballschlachten
In Gruppen treffen immer unterschiedliche Menschen aufeinander, auch wenn das gemeinsame Thema eint, sitzen verschiedene Persönlichkeiten in der Runde. Da gibt es die „Stillen“, die in der Großgruppe nur selten von sich aus das Wort ergreifen, (auch andere Gründe wie beispielsweise Alter und Geschlecht spielen eine Rolle) und es gibt die Vielredner, die zu stoppen manchmal eine Herausforderung ist. Um von allen am Abend zu hören, wie sie den Tag erlebt haben, habe ich die Feedbackmethoden immer wieder gewechselt. In der Streichholzrunde (der Favorit der Gruppe) darf beispielsweise jede*r so lange reden, wie das Streichholz brennt, bei der Schneeballmethode schreibt jede*r einen Satz auf ein Papier, knüllt es zusammen und nach einer „Schneeballschlacht“ liest jede Person einen Zettel vor (anonymes Feedback).
Das wir besser behalten, was wir sehen, ist bekannt. In einem internationalen Camp ist Visualisierung umso wichtiger, da die Seminarsprache Englisch für niemanden die Muttersprache ist. Trotzdem die ganze Woche in Englisch zu kommunizieren, schreiben und zu denken – war anstrengend. Deshalb haben wir beispielsweise morgens den Tagesablauf immer durch Bilderkarten vorgestellt und das Highlight des Tages als Flipchart gestaltet.
Ein Bild sagt oft mehr als 1000 Worte – das haben wir sehr eindrücklich am Ende von Tag vier erlebt. Dieser Tag war unser „Exkursionstag“: Vormittags Besuch in der Lutheran Community Outreach Foundation mit Einblicken in das dortige Skills Development Programm und bewegenden Begegnungen. Den Nachmittag haben wir in Soweto verbracht, und auf bewegende Weise erfahren, wie es zu den „Soweto Uprisings“ kam. Und wir haben im Haus von Mandela gestanden.
Eine Fotoshow berührender Elemente
Als Feedbackmethode hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, ein Bild von dem Moment zu machen, der sie am meisten bewegt hat. Am Abend haben wir dann diese (emotionalen) Momente in einer berührenden Fotoshow miteinander geteilt.
So verschieden die Menschen sind, so unterschiedlich ist auch ihre Art zu lernen. Zentraler Bestandteil des Seminars sind deshalb interaktive Methoden für die verschiedenen
Phasen einer Bildungsveranstaltung, die es ermöglichen
Ja, Methodenvielfalt braucht Zeit/Vorbereitung, und ja, Methodenvielfalt ist auch materialaufwändig, aber wenn eine Teilnehmerin zurückmeldet „ich hatte noch nie so viel Spaß dabei, einen Code of Conduct zu erstellen“, oder „diese Methoden werde ich auch bei meinem nächsten Seminar anwenden“, dann hat es sich gelohnt. Interaktive Methoden in der Bildungsarbeit helfen dabei zu lernen. Sie sprechen aber auch eine ganz eigene Sprache, nämlich die „Schön-dass-du-dabei-bist-Sprache“.