
Überholte Tradition oder Zeit zum Kraft schöpfen
Christ*innen aus der weltweiten Kirche diskutierten die Bedeutung des sonntäglichen Gottesdienstes und alternative Formate.
Christ*innen besuchen am Sonntagvormittag den Gottesdienst. Wirklich? Die Realität sieht, zumindest in Deutschland, anders aus. Ist der Gottesdienst am Sonntagmorgen noch zeitgemäß, oder bedarf es anderer Formate? Diese Frage stellten die Referenten des Ev.-luth. Missionswerks in Niedersachsen (ELM), Kurt Herrera und Dr. Joe Lüdemann, jetzt bei einer international besetzten Zoom-Veranstaltung zur Debatte. Zum Auftakt gab es zwei gegensätzliche Statements, eines aus Südafrika und eins aus Deutschland.
„Für mich ist der Sonntagsgottesdienst sehr relevant“, betont Themba Makhoba aus dem südafrikanischen Durban. Die junge Frau erklärt auch, warum sie es wichtig findet, dass zu diesem Termin einmal in der Woche alle zusammen kommen und es keine unterschiedlichen Formate für verschiedene Zielgruppen gibt. „Es geht um die Herausforderungen des Lebens. Wenn wir alle die gleiche Predigt hören, können wir uns hinterher darüber austauschen. Das tun wir als Familie dann am Mittagstisch“, sagt sie. Damit hebe sich der Gottesdienst ab von Angeboten während der Woche, wo es separate kirchliche Aktivitäten für Frauen, Männer und Kinder gibt. Ganz wichtig ist für Themba Makhoba zudem das lockere gesellige Zusammensein der Gemeinde, ob beim Plaudern oder beim "Sunday lunch", das sich gelegentlich an den Gottesdienst anschließt.
Niels von Türk, der im ELM als Referent für das Freiwilligenprogramm Nord-Süd tätig ist, sieht den Sonntagsgottesdienst, so wie er in vielen deutschen Gemeinden praktiziert wird, kritisch: Am Sonntag hätten die meisten Menschen das Bedürfnis, auszuschlafen, im Gottesdienst sähen sie zumeist nur den Rücken ihrer „Brüder und Schwestern“ und die Musik entspreche vermutlich nicht dem Geschmack der meisten Menschen in Deutschland. Die gepredigte „Liebe Gottes“ sei in den oft emotionslos wirkenden Ritualen nicht wirklich spür- und erlebbar, schildert Niels von Türk seine Eindrücke. Der Hermannsburger erinnert sich aber auch an Gottesdienst-Formate außerhalb der Sonntagvormittags-Tradition, bei denen er Kraft getankt habe, mit Menschen in Kontakt getreten sei und ansprechende Musik gehört habe.
Bei dem sich anschließenden Austausch der Teilnehmenden, zunächst in kleineren Gruppen, dann im Plenum, wurde dann deutlich, dass Menschen in der weltweiten Kirche, dem Sonntagsgottesdienst zumeist einen deutlich höheren Stellenwert beimessen und von dieser Tradition profitieren als Christ*innen in Deutschland. „Wir versuchen, keinen Gottesdienst zu verpassen, solange wir gesund sind. Und wir mixen das, was die jungen wollen mit dem, was die alten wollen“, erklärte eine Pastorin aus Südafrika.
Einig waren sich die Teilnehmenden aus drei Kontinenten aber auch darin: Angebote, die nach dem Gottesdienst zum Verweilen und zur Begegnung einladen, sind stets eine Bereicherung.