Schönheit bewegt zum Glauben
Beim ELM-Frauentag begaben sich die Teilnehmerinnen auf ästhetische Spurensuche in die arabische Welt
Was hat Glaube mit Schönheit zu tun? Eine ganze Menge, erfuhren die Teilnehmerinnen des diesjährigen ELM-Frauentages. Und da Schönheit ganz offensichtlich ein Thema ist, für das sich viele Frauen interessieren, war der Saal der FIT mit über 60 Teilnehmerinnen sowie dem Organisations-Team um Indra Grasekamp, ELM-Referentin für Weltweite Spiritualität, gut gefüllt.
Schönheit verleitet zu Liebe, aber auch zum Glauben. Diese Verbindung besteht offenbar universell, auch in anderen Kulturen und Religionen. So bot sich zur Untermalung dieses Themas ein Blick über den christlich-abendländischen Tellerrand in die Welt des islamischen Glaubens und der orientalischen Kulturen an. Das ELM hatte Claudia Ott, Orientalistin, Übersetzerin und Musikerin aus Beedenbostel, als "Brückenbauerin" eingeladen. Die Referentin bot Einblicke in Literatur, Sprache, Schrift und Musik des Orients und somit vielschichtige Möglichkeiten, die Wirkung von Schönheit mit allen Sinnen zu erfahren.
Ein Beispiel, an dem anschaulich wurde, wozu Schönheit dient, ist die orientalische Nayflöte, die aus Schilf hergestellt wird. "Das Schilfrohr stirbt in dem Moment, in dem es abgeschnitten wird", erläuterte Claudia Ott. In seinem Klang stecke, so die Vorstellung der Menschen in der islamischen Welt, die Sehnsucht nach seiner Wurzel, von der es getrennt wurde. "Genauso sehnt sich der Mensch nach dem vollkommenen Urzustand, nach dem Einssein mit dem Schöpfer. Und alles, was der Mensch tut – Literatur, Musik, Kunst – tut er, um wieder eins zu werden mit dem Schöpfer."
Während sich im Christentum Gott in Jesus verkörpere, tue er dies im Islam durch den Koran, erläuterte die Referentin. "Das religiöse Erkennen vermittelt sich hier als Schönheitserfahrung". Der Koran habe eine ästhetische Wirkung, auch durch seinen Sprachrhythmus und die Wortwiederholungen. Und als die Frauen an dem Wort "Gott" erste Schwünge der arabischen Schrift üben, macht die Orientalistin deutlich: "Allah" ist das Wort für Gott in allen Religionen.
Am Nachmittag bestand dann in vier Workshops mit den Referentinnen Conny Müller, Leonore Landmann, Astrid Lange und Cristina Scherer Gelegenheit, einzelne Aspekte des Themas zu vertiefen: mit Handlettering - der Kunst des schönen Schreibens, mit Tanz, Literatur oder dem Blick nach Brasilien, wo der Kampf der Frauen um ihre Rechte auch als Ausdruck ihrer Schönheit verstanden werden kann. Ein nicht unbedeutender Aspekt kam dabei in der Literatur-Gruppe zur Sprache: „Wenn es in einem Liebes-Gedicht aus dem Orient beispielsweise heißt: 'Es gibt keinen Makel an dir', ist klar, dass das nicht sein kann. Auch die Schöpfung ist nicht makellos", stellten die Teilnehmerinnen fest. Schönheit spiegelt also wohl immer auch eine Form von Güte.
"Ich spüre richtig die Energie und Freude, die Sie aus den Workshops mitgenommen haben", sagt Indra Grasekamp, als alle sich zum Abschluss wieder im Plenum treffen um den jeweils anderen Gruppen einen kleinen, teils humorvollen Einblick in die vergangenen eineinhalb Stunden zu geben. "Ich nehme von diesem Tag mit, dass Schönheit kein Selbstzweck ist. Sie ist nicht nur da, um schön zu sein, sondern führt zu Liebe und Glaube", bilanziert eine Teilnehmerin nach dem letzten gemeinsam gesungenen Lied am Ende der Veranstaltung.