Vielfalt und Einheit in der Kirche

Wie sehen Sie Einheit in Vielfalt in Ihrer Kirche und wie gehen Sie mit Diversität um? – diese Frage stand am Mittwochvormittag auf dem Programm der Partnerkirchenkonsultation in Johannesburg, Südafrika.

Drei Theolog*innen aus Tansania, Peru und Deutschland teilten ihre Perspektive auf Einheit in Vielfalt und wie sie ihre Kirche entsprechend gestalten.

Dr. Emmanuel Kileo, Direktor des ELM, legte in seinem Beitrag dar, wie das Denkmodell „Wir“ und „die Anderen“ zu Diskriminierung führe und rief insbesondere auch Führungspersonen in Kirche dazu auf, dieses Denkmodell zu dekonstruieren. Ralf Meister, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der nicht in Johannesburg dabei sein kann, teilte seinen Beitrag schriftlich mit den Delegierten und legt darin dar, wie die hannoversche Landeskirche als demokratisch verfasste Institution auf Partizipation und Beteiligung setzt. Die Rede vom Priestertum aller Gläubigen wende sich für Bischof Meister gegen jede Exklusivität und geistliche Leitung stehe immer im Dienst der Gemeinschaft. Ofelia Dávila Llimpe, Präsidentin der Lutherischen Kirche Perus, teilte ihren Traum von einer Kirche als eine engagierte, widerstandsfähige und geistlich bereicherte Gemeinschaft, die bereit ist, sich den Herausforderungen von heute und morgen zu stellen. Eine Kirche, in der jedes Mitglied, unabhängig von Alter oder Geschlecht, sich berufen fühlt, zu dienen und aktiv am Leben der Kirche teilzunehmen. Dabei leite sie die integrative Mission Jesu.

Dr. Emmanuel Kileo, Direktor des ELM:

Emmanuel Kileo betonte in seinem Beitrag, dass Führungspersonen Inklusion fördern und selbst leben müssen. Er erläuterte, welcher Grundmechanismus hinter der Diskriminierung einzelner Personengruppen steckt: Frauen, queere Personen, Menschen mit Behinderung, People of Colour, Angehörige anderer Religionen etc. Für sie alle würde das Denkmodell „Wir“ und „die Anderen“ angewandt und vermeintlich gute Werte mit dem „Wir“ und negative Eigenschaften mit „dem Anderen“ verbunden. Die Folge sei, dass das konstruierte „gute, als normal angesehene Wir“ versucht sei, den Zugang der konstruierten „schlechten, abnormal gesehen Anderen“ zu Ressourcen zu beschränken. Daraus entstehe Hierarchie, Ausbeutung, Leid und auch Verbrechen.
Abschließend rief Kileo die Anwesenden auf, Diversität als Fakt anzuerkennen und als Segen für unsere Kirche und unsere Gesellschaft wahrzunehmen.

Ofelia Dávila Llimpe, Präsidentin der Lutherischen Kirche Perus:

Kirchenpräsidentin Ofelia Dávila Llimpe erläuterte, was ihre Kirche bereits unternimmt, um Vielfalt zu fördern. So gibt es zum Beispiel eine Satzung, die vorschreibt, dass Kirchenräte je zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt sind. Für verschiedene Gruppen innerhalb der Kirche, wie zum Beispiel Jugendliche, ältere Menschen, Männer und Frauen, würden spezielle Programme entwickelt. Gerade die Jüngeren seien es gewesen, die während der Covid-Pandemie durch ihre Kreativität zu neuen Formaten und der Aufrechterhaltung des Kirchenlebens beigetragen haben. Bei allem, was Kirche tue, sei es wichtig, Räume für einen offenen Dialog zu ermöglichen, ständiges Feedback und die Einbeziehung verschiedener Blickwinkel in die Arbeit zu gewährleisten. „Wir überprüfen regelmäßig unser Handeln und erneuern unsere Verpflichtung, eine inklusive Kirche zu sein. Wir führen Umfragen und Evaluierungssitzungen mit den Mitgliedern durch, um sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse und Meinungen gehört und in unserer Planung berücksichtigt werden“, erläuterte die peruanische Kirchenpräsidentin. Darüber hinaus werde die Ausbildung von Führungskräften aus verschiedenen Gruppen gefördert. Wie kann man dem Vorwurf entgegentreten, dass das Evangelium verfälscht wird, wenn Vielfalt in all ihren Formen zugelassen wird? Auf diese Frage antwortete Ofelia Dávila Llimpe: „Als Kirche gehen wir von der Überzeugung aus, dass wir alle als Ebenbild Gottes geschaffen sind, wie uns das Wort Gottes in Genesis 1,26 in Erinnerung ruft. Der Mensch spiegelt das göttliche Bild wider und verdient es, mit Liebe und Respekt behandelt zu werden. Jesus selbst hat uns gelehrt, die Frohe Botschaft allen Menschen ohne Unterschied zu verkünden, und in Matthäus 28,19 fordert er uns auf, alle Völker zu Jüngern zu machen. Dieses Gebot unterstreicht die Universalität und Inklusivität der Botschaft Christi.“ Leider gäbe es auch viele Faktoren, die Menschen in Peru davon abhalten, den Traum von der inklusiven Kirche wahr werden zu lassen: Es sind vor allem wirtschaftliche, politische und soziale Probleme, mit denen die Menschen zu kämpfen haben und die ihnen die Zeit rauben, sich noch mehr in ihrer Kirche zu engagieren. Und doch blickte Ofelia Dávila Llimpe hoffnungsvoll nach vorn: „Wie der Apostel Paulus in Philipper 4,13 sagt: Ich vermag alles durch Christus, der mich stärkt. Möge diese Wahrheit uns inspirieren, unsere Mission mit Hoffnung und Liebe fortzusetzen und immer ein Licht in der Welt zu sein.“

Ralf Meister, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers:

Vor dem Hintergrund einer Kirche, der mittlerweile nur noch eine Minderheit der Gesellschaft angehört, skizziert der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister, in seinem schriftlich zur Verfügung gestellten Beitrag seine Sicht auf geistliche Führung und Kirche der Vielfalt. Darin hebt der Theologe zunächst hervor, dass geistliche Leitung eine Aufgabe ist, an der alle teilhaben. Die Rede vom Priestertum aller Gläubigen wende sich gegen jede Exklusivität. Die Gemeinschaft beauftrage lediglich Einzelne aus ihrer Mitte mit der öffentlichen Wahrnehmung dieses Auftrags. So stehe die geistliche Leitung immer im Dienst der Gemeinschaft. „Leadership“ beruhe somit nicht auf einer besonderen Machtfülle. Sie führe stattdessen immer wieder zum Evangelium zurück und setze Impulse, wie das Evangelium in der Gegenwart Gestalt gewinnen kann. Dazu gehöre auch gesellschaftliches Engagement, das Eintreten für eine gerechte, freie und friedliche Welt.
Um die Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, „bemühen wir uns, den Glauben so in die Welt hineinzusprechen, dass die Menschen ihn wieder neu erleben können“. Das gelinge aber nur, wenn die Lebenswelt der Menschen ernst genommen werde. „Unsere Kirche erkennt die Lebensformen an, die Menschen in großer Diversität für sich wählen. Dies bezieht sich auf die Vielfalt familiärer Situationen, auf die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten, auf die Vielfalt kultureller Hintergründe, auf die Vielfalt der Gemeinschafts- und Kommunikationsformen, auf die Vielfalt ästhetischer Vorlieben, auf die Vielfalt biografischer Prägungen. Wir erkennen diese Diversität nicht nur an, sondern versuchen sie zu integrieren und uns auf sie zu beziehen“, so der Landesbischof. Mit Blick auf seine Kirche wünscht er sich, dass Menschen in ihr entscheidende Erfahrungen machen können, die sie bereichern. „Ich wünsche mir, dass sie über die verschiedenen Zugänge einem lebendigen Glauben begegnen und ihnen dieser Glaube zur Kraft wird.“ Er ist überzeugt: „Wir sind zu den Menschen in der Vielfalt ihrer Lebenswirklichkeiten gesandt, weil Gott selbst diesen Weg gewählt hat. Ich wünsche mir eine Kirche, die glaubwürdig ist, weil sie diesem Weg folgt.“

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