Debatte um die Zukunft der Kirche: Zwischen Tradition und Erneuerung
Den Auftakt der Diskussion machte der frühere Bischof der methodistischen Kirche in Südafrika, Paul Verryn.
In seinem Impuls-Vortrag am 2. September sprach der frühere Bischof der methodistischen Kirche in Südafrika, Paul Verryn, über die dringende Notwendigkeit, die Kirche zu erneuern und ihre Mission neu auszurichten. Paul Verryn betonte, dass die Kirche sich nicht in starren Strukturen verfangen darf, sondern als lebendige Gemeinschaft auf persönliche Begegnungen mit Christus basieren sollte. Er kritisierte die heutige Kirche dafür, sich zu sehr auf Bürokratie und Machtkämpfe zu konzentrieren, anstatt ihre ursprüngliche Aufgabe, den Bedürftigen zu dienen und soziale Gerechtigkeit zu fördern, in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kirche müsse sich ihrer Geschichte kritisch stellen und ethische Fragen wie den Umgang mit Geld, Macht und Geschlechtergerechtigkeit neu beleuchten.
Pastor Dr. Yonas Yigezu, Präsident der äthiopischen Mekane Jesus Kirche, reagierte auf Paul Verryns Vortrag, indem er die zentrale Rolle der Kirche als geistliche Gemeinschaft hervorhob. Für Yonas Yigezu liegt die Hauptaufgabe der Kirche in der Verkündigung des Evangeliums und der Verwaltung der Sakramente. Er warnte davor, dass der diakonische Dienst nicht die Hauptmission der Kirche, nämlich die Evangeliumsverkündigung, überschatten dürfe: „Die Kirche ist keine Nichtregierungsorganisation, sondern eine Gemeinschaft, die aus Gnade durch den Glauben an Christus geheiligt ist.“ Yonas Yigezu betonte zudem die Bedeutung der Heiligen Schrift, das Priestertum aller Gläubigen, eine transparente Kirchenverwaltung und den Bekenntnisaspekt des Glaubens, der sowohl durch Worte als auch durch Handlungen in der Gesellschaft zum Ausdruck kommen sollte.
Gabrielle Ücker Thum, Vize-Koordinatorin des nationalen Jugendrats der Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, brachte eine weitere Perspektive ein und betonte die Bedeutung der Gemeinschaft im Kirchensein. Zudem sollte sich die Kirche ihrer Meinung nach täglich dafür einsetzen, dass alle Menschen in Würde leben können. Dies beinhalte auch, dass Kirche Menschen aller Geschlechter und LGBTQIA+-Personen als Teil der Gemeinschaft willkommen heißt und sich für ihre Rechte einsetzt. Auch den Einsatz für Klimagerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung sieht sie als Aufgabe der Kirche. Gabrielle Ücker Thum berichtete zudem von dem starken Wachstum konservativer und fundamentalistischer Kirchen in Brasilien. „Ihre großen und lauten Bands, die bunten Lichter und all diese Unterhaltungsaspekte der Gottesdienste geben vor, sehr modern zu sein. Doch sie propagieren eine limitierende Weltsicht und eine falsche Macht über die Heilige Schrift und Gottes Segen." Diese für sie fehlgeleitete Theologie führe zu viel Unterdrückung und Missbrauch in ihrem Land, wie beispielsweise geschlechtsspezifische Gewalt. Sie betonte, dass die Kirche ein sicherer Ort sein sollte, um Glaubensfragen zu erkunden und sich den Herausforderungen der modernen Welt zu stellen.
Wiebke Zimmermann, Jugenddelegierte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers in Deutschland, teilte ihren Traum von einer Kirche, die ein sicherer Ort für alle ist. Kirche muss sich ihrer Meinung nach für soziale und Klimagerechtigkeit einsetzen und hier deutlich ihre Stimme erheben. Und Kirche sollte Hoffnung angesichts der Krisen unserer Zeit bieten. Ihre Kirche ist eine Kirche von Menschen für und mit Menschen – aller Generationen. Mit Fokus auf Jugend betonte sie aber auch: „Wir sind eine Gemeinschaft des Glaubens und um unseren Glauben ausüben zu können, muss die Kirche Raum und Ressourcen zur Verfügung stellen. Wir wollen unseren Glauben ausleben und dafür brauchen wir Ressourcen.“ Für die Kirchenleitenden aus Deutschland hatte sie angesichts der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen auch noch eine deutliche Aufforderung: „Die Kirche muss ihre Stimme gegen den Faschismus in Deutschland erheben. Ich will nicht in einem faschistischen Land leben und ich bin mir sicher, Sie wollen das auch nicht.“
Zentrale Aussagen:
- Paul Verryn: Kirche muss sich erneuern und soziale Gerechtigkeit fördern, statt sich auf Bürokratie und Macht zu konzentrieren.
- Yonas Yigezu: Wenn Kirche missional sein will, dann muss sie ihren Gottesdienst inklusiv gestalten, sodass sich alle willkommen fühlen und bleiben.
- Gabrielle Ücker Thum: Die Kirche sollte sich täglich dafür einsetzen, dass alle Menschen in Würde leben können.
- Wiebke Zimmermann: Ich träume von einer Kirche, die ein sicherer Ort für alle Menschen ist, sich für soziale und Klimagerechtigkeit einsetzt und Hoffnung angesichts der Krisen unserer Zeit bietet.