Dr. Thomas Kück, Michael Thiel und Anja Krebs (von links) bei einer Veranstaltung der Leuphana Universität Lüneburg.

Mission und Dekolonisierung

Ein Vortrag von Michael Thiel an der Leuphana Universität Lüneburg.

Wie positioniert sich die evangelische Mission in der gegenwärtigen Debatte zur Dekolonisierung? Das war die Leitfrage in der jüngsten Veranstaltung aus der Reihe "Ethik im Gespräch" am Dienstag, 24. Januar 2023. Privatdozent Dr. Thomas Kück vom Institut für Ethik und Theologie moderierte das öffentliche Podiumsgespräch in dem gut besuchten Raum der Stille im Zentralgebäude der Leuphana Universität Lüneburg.

Missionsdirektor Michael Thiel, Direktor des Ev.-luth. Missionswerks in Niedersachsen, beschrieb zunächst die in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Hermannsburg ausgehende Mission in Afrika und anderen Kontinenten. "Wir wollen etwas für die Menschen tun", das sei damals ein zentrales Motiv gewesen. Missionsstationen seien entstanden, Schulen und Krankenhäuser sowie Ortschaften mit deutschen Namen. Zu der zeitgleichen Kolonisierung Afrikas durch den europäischen Imperialismus habe die Mission zwar eine gewisse Nähe gehabt, sie habe sich aber in Methoden und Zielen markant unterschieden, so Michael Thiel. Dennoch: Der gemeinsame historische Kontext fordere heute zur selbstkritischen Reflexion heraus.

Heute gehe es um Erinnern und um Partnerschaft auf Augenhöhe. Die evangelische Mission in Niedersachsen beteilige sich momentan in ungefähr 100 Projekten weltweit. Dazu gehöre, dass der traditionell eurozentristische Blick auf Afrika überwunden werden müsse. Hierin wurde Thiel von der auf dem Podium mit diskutierenden Studentin Anja Krebs unterstützt. Sie habe vor ihrem Studium an der Leuphana mit "Weltwärts" eine Freiwilligenzeit in Kamerun erlebt und habe während der intensiven Vorbereitung Übungen zur Selbstreflexion der eigenen Haltung erlernt: "Nicht wir wissen, was für Menschen aus Afrika gut und nötig ist, sondern die Menschen selbst tragen ihre Bedürfnisse in einen gleichberechtigten Prozess mit ein".

Ob es heute immer noch eine machtvolle Verbindung zwischen Mission und Politik gäbe, war eine der Fragen. Das könne er nicht pauschal beantworten, sagte Michael Thiel. Für ihn aber sei deutlich geworden, dass der eigentliche Machtfaktor das Geld sei. Geld sei auch der größte Treiber in weltweiter Ungerechtigkeit, wie er  aus eigener Erfahrung im Globalen Süden berichten könne.

Auch aus dem Publikum wurden zahleiche Fragen gestellt. Die Diskussion verlief rege. Ob denn "post-kolonial" überhaupt der passende Begriff sei, fragte ein Teilnehmer. Wenn der Begriff ausdrücken wolle, dass die Kolonialzeit insofern abgeschlossen sei, dass sie nicht mehr reflektiert werden müsse, dann würde er widersprechen. Dem schloss sich auch Anja Krebs an. Das gleichberechtigte Hören aufeinander und das gegenseitige Wahrnehmen auch in den Unterschieden sei für sie in Kamerun wichtig geworden. Und das wünscht sie sich verstärkt auch für die Zukunft.