Mission - das Herz der Kirche

"Darum gehet hin und lehret alle Völker ...", heißt es im Matthäus-Evangelium. Der so genannte "Missionsbefehl" hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren, meint der Direktor des ELM, Dr. Emmanuel Kileo

Der Begriff „Mission“ ist im deutschsprachigen Raum sehr kirchlich konnotiert und wird oft kritisch mit der Geschichte der Kirche in Verbindung gebracht. Im englischen Sprachraum wird die "vision and mission" üblicherweise als ein richtungsweisendes Element für ein Unternehmensziel verwendet: Anders im kirchlichen Kontext: Mission ist hier die Mission Gottes – die „Missio Dei“. Denn Jesus hatte die Mission so befohlen: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28:19,20).


Der Auftrag: Vom Glauben erzählen

Diese letzten Worte Jesu nach dem Matthäus-Evangelium gelten bis heute als "Missionsbefehl", der uns den Auftrag gibt, mit anderen über unseren Glauben zu sprechen und ihn mit ihnen zu teilen und von Jesus zu erzählen. Das Alte und Neue Testament sind solche Erzählungen. Sie  beschreiben Erfahrungen von Menschen wie sie mit Gott, oder – dann im Neuen Testament – mit Jesus und dem Heiligen Geist unterwegs waren. Der Apostel Paulus gilt als einer der Menschen, die solche persönlichen Erfahrungen im Glauben ausführlich geteilt haben, insbesondere wie er selbst Gott begegnete, seinen Glauben gelebt, Bibelkreise aufgebaut, Gemeinden vom Nahen Osten bis Rom gegründet und betreut hat. Das gilt als Mission und genau das praktizieren wir in der Kirche als Gemeindearbeit. Historisch betrachtet ist diese Art von missionarischer Arbeit dann bis nach Europa hinein gewachsen – insbesondere in der Zeit des Römischen Reiches.

Erinnern wir uns, dass das Evangelium in Jerusalem und Samaria von Jesus in der jüdischen Tradition gepredigt wurde. Paulus hat das Gleiche in der griechischen bis hinein in die römische Tradition gepredigt. Dankbar erkennen wir an, dass auch andere Missionare die Botschaft des Evangeliums hierher nach Europa gebracht haben. So war Europa  ja auch ein Land der "Heiden", mit heidnischen Kulten wie Hexenverbrennungen usw. Nun traf das Evangelium seit der jüngeren Bronzezeit bis zum ausgehenden Frühmittelalter auf die polytheistischen religiösen Kulte und Riten der germanischen Stämme und Völker, die sich ebenso mit dem neuen Glauben auseinandersetzen mussten wie die vorchristliche Religion der Wikingerzeit, das„nordische Heidentum“.


Theologie – in ihrem Kern interkulturell

Deshalb hat unsere vermeintlich "normale" oder "klassische" Theologie“ (im Gegensatz zu der "Interkulturellen Theologie", die aus Naivität oft als "exotische Theologie" abgestempelt wird) schon viele interkulturelle Auseinandersetzungen überlebt. Es reicht hier zu sagen, es gibt keine Aufteilung in klassische  und interkulturelle Theologie. Theologie ist in ihrem Kern interkulturell. In der römischen Zeit war alles nicht allein interkulturell, sondern auch sehr politisch. Anders gesagt, die Kirche und die Gemeinden hier in Europa, so wie wir sie jetzt erfahren dürfen, haben viele kulturelle und politische Auseinandersetzungen hinter sich. In unserem kirchlichen Leben gibt es immer etwas Jüdisches, etwas Griechisches und etwas Römisches zu entdecken, vielleicht sogar europäische heidnische Riten und Kulte. Trotz all dieser Herausforderungen haben die Gemeinden sich immer an den Missionsbefehl gehalten, nämlich "über unseren Glauben zu sprechen und unsere Erfahrungen mit Gott zu teilen". Das ist anders als jene  Art von Missionierung, in der behauptet wird, dass andere Religionen falsch seien und darum nicht mehr geglaubt werden sollten und/oder dürften.  


In ihrem Auftrag zur Mission hatte die Kirche es bei ihrer Suche nach einem eigenen Profil immer wieder schwer, sich aus kulturellen und politischen  Diskursen und Konflikten herauszuhalten. Viel mehr war sie selbst als eigener Akteur in diese Kämpfe verstrickt. Irgendwann übte die Kirche selbst Macht über die Politik und die Kultur aus oder Kirche und Politik haben sich ergänzt und sich gegenseitig bereichert. Das stellte ihr Mandat zum prophetischen Amt in Frage.


Kein Grund, Mission abzusagen

Viele Kirchen und Christ*innen in Europa wollten nicht über ihren Glauben schweigen. Sie wollten der Welt von der Botschaft Jesu erzählen und diese auch sehr ganzheitlich bezeugen. Sie sind dann aus Europa nach Afrika, Asien, Latein- und Nordamerika aufgebrochen. Aber manche Kirchen taten sich schwer damit, ihre Mission von den politischen und wirtschaftlichen Interessen der damaligen Zeit zu trennen. Sie sahen im Gegenteil das damalige Interesse der europäischen Kolonialmächte als Chance, Mission zu treiben. Manchmal unbedarft, aber oft auch wider besseres Wissen wurde die Kirche zur Agentin politischer und wirtschaftlicher Interessen der damaligen Zeit.

Die Kirche wollte nach außen gehen, um das Evangelium zu predigen und Jünger Jesu zu gewinnen, während die Imperialisten auch in die ganze Welt gehen wollten, um Menschen dort zu ihren Untertanen zu machen. Dann zogen sie zusammen in die Welt hinaus. Wohlwissend oder doch nicht, hat sich die Kirche mehr oder weniger von den Imperialisten ausnutzen lassen. Diese propagierten allzu oft mit dem Segen der Kirche ihre Ideologien, ihren Rassismus, Sexismus und Antisemitismus. Trotz gut gemeinter Intention der Kirche in der Sache "Mission", wurde sie tatsächlich zum Handlanger des Kolonialismus. Dahinter verschwand dann ihre Kernaufgabe. Dieser Umstand reicht aber nicht, Mission abzusagen. Denn Mission ist eigentlich Mission Gottes – "Missio Dei".


Theolog*innen sind aufgerufen, eine ausdifferenzierte Geschichte der Mission zu erzählen und Jesu Definition von Mission zu interpretieren. Damit Mission nicht automatisch als Rassismus oder Kolonialismus abgestempelt wird, ist es unsere Aufgabe, mehr Klarheit in den Begriff Mission zu bringen. Es heißt ab jetzt von mir, Mission in „Drei-Ds“ zu erfahren, und zwar die damit verbundene himmlische Dimension, die kulturelle Dimension und die politische Dimension zu beleuchten. Die Botschaft Jesu ändert sich ja nicht, aber wie wir diese Botschaft tragen und verkünden, ändert sich ständig.


Eine andere Definition von Mission

Es muss auch deutlich gesagt werden: Andere Missionare oder Missionsgesellschaften waren schon vor dem Aufkommen des europäischen Imperialismus im Globalen Süden und Westen präsent. Darum trifft sie manche pauschale Kritik, Mission sei rassistisch oder kolonialistisch, nicht unbedingt. So hat das Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM Hermannsburg) durchaus auch eine positive Geschichte: Aus Deutschland sind Missionare bewusst zuerst nach Äthiopien und Südafrika gesegelt, wo Deutschland keine Kolonie hatte. Sie sind auch nicht mit Schiffen der Kolonialmächte gefahren. Tatsächlich hatte Ludwig Harms, der Gründer der Hermannsburger Mission, sein eigenes Schiff bauen lassen, um die von ihm entsandten Missionare nicht unter kolonialer Flagge segeln zu lassen.


Heute wird Mission anders definiert. Das ELM, das heutige Missionswerk, hat natürlich kein Schiff mehr – die "Candace" ist nicht mehr unterwegs in Richtung Globaler Süden. Jetzt kommen Missionar*innen, wir nennen sie heute „ökumenische Mitarbeitende“ aus dem Globalen Süden zu uns nach Niedersachsen und teilen mit uns das Evangelium. Es heißt, die Bedeutung von Mission hat sich über die Jahrzehnte sehr gewandelt. Mit einem Mal war Mission nicht mehr selbstverständlich "Kirchenpflanzung" in den anderen Ländern (autonome Kirchen gibt es jetzt schon) oder wie Ludwig Harms schrieb: "... das Evangelium zu den Heiden bringen." Auch ist es nicht so, wie es oft salopp erzählt wird: Wir fliegen hin, um ihnen zu erklären, wie Gott aussieht oder wie die Welt funktioniert. Nein! Es war plötzlich eine Zeit angebrochen, in der man mit den anderen "gemeinsam das Geheimnis des Evangeliums entdecken wollte." Heute und ganz aktuell wird Mission ganzheitlich wahrgenommen als ein Auftrag, Menschen in ihrem Kontext zu befähigen, dass sie "ein menschenwürdiges Leben erfahren dürfen."  Es ist eine Mission Gottes – Missio-Dei, dass jede und jeder sich für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle einsetzen muss. Und deshalb sind wir davon überzeugt: Mission ist das "Herz" der Kirche.

 

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