Frauen in der Mission

"Frauen sind in der Missionsgeschichtsschreibung größtenteils unsichtbar, unhörbar, abwesend", schreibt Christine Lienemann-Perrin im Buch „Die Mission ist weiblich. Frauen in der frühen Hermannsburger Mission“. Um bestehenden Beschränkungen zu entgehen, seien Frauen oft auf Nischen ausgewichen - wo sie meist sehr erfolgreich waren und abseits des Rampenlichts Spuren hinterließen.

Im Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder das Bestreben, jene Frauen ins Bewusstsein zu rücken, die sich eigenständig der Verbreitung des christlichen Glaubens gewidmet haben – wozu die Ehe mit einem Missionar bzw. die Rolle als so genannte "mitausreisende Ehefrau" kein Widerspruch war.

"Abschied gehörte dazu – Lebensspuren Hermannsburger Missionsfrauen im 20. Jahrhundert" (1) heißt ein Buch, das 2008 von Nina Dürr und der damaligen Direktorin des ELM, Martina Helmer Pham Xuan, initiiert wurde. 15 Frauen, die mit ihren Ehemännern ins Ausland entsandt waren, schildern darin ihre Lebensstationen, angefangen von religiöser Prägung in der Jugend über die Phase der Entscheidung für die Ausreise, bis hin zum Leben in der Fremde und der Rückkehr nach Deutschland. Während die Aufgaben der Missionare meist klar umrissen waren, standen die Frauen oft vor der Herausforderung, ihr Arbeitsumfeld erst zu erschaffen – ganz zu schweigen vom "Kulturschock", den sprachlichen Barrieren oder der fehlenden Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse im Ausland. So unterschiedlich die Lebenswege der 15 Frauen und die Orte ihres Wirkens auch sind, am Ende stehe ein "wunderbares Zeugnis erfüllten Lebens", fassen Nina Dürr und Martina Helmer-Pham Xuan zusammen.

Texte über die verschiedenen Rollen, Tätigkeiten und Herausforderungen von "Frauen in der frühen Hermannsburger Mission" (2), aber auch in den Partnerkirchen im 20. Jahrhundert (3), hat der ehemalige Dozent für Kirchengeschichte und praktische Theologie am Missionsseminar Hermannsburg, Jobst Reller, in zwei Tagungsbänden herausgegeben. Im November 2010 hatte das Ludwig-Harms-Symposium zu einer Jahrestagung eingeladen und sich damit der Thematik geöffnet. Dabei galt das Interesse nicht nur den Frauen aus Deutschland, die sich mutig in die Fremde begaben, sondern auch den "einheimischen Agentinnen der Mission" im Ausland. Eine von ihnen ist Paulina Dlamini, die "Apostelin des Zululandes", wie sie von Missionar Heinrich Filter beschrieben wird. Die 1856 geborene und in der traditionellen Religion ihres Volkes aufgewachsene Frau arbeitete nach einer Erscheinung Jesu im Traum eigenständig als Evangelistin und baute zwei Stationen der Hermannsburger Mission im Gebiet Emakhosini / Südafrika auf. Frauen wie sie stehen insbesondere im zweiten Tagungsband "Frauen und Zeiten" (3) im Mittelpunkt.

Wie aber sah ein Frauenleben in der Hermannsburger Mission im 19. oder frühen 20. Jahrhundert aus? Ein schillerndes Beispiel ist die Biografie von Elsa Wickert (geb. Blomstrand; 1893 – 1962) (4), die in eine schwedische Missionarsfamilie in Indien hineingeboren wurde. Mit 19 Jahren heiratete sie Winfried Wickert, der 1932-34 Leiter des Hermannsburger Missionsseminars und später Missionsdirektor wurde und reiste 1937 mit ihm nach Südafrika aus. In Hermannsburg hinterließ sie bedeutende Spuren, indem sie den traditionsreichen Missionsbasar ins Leben rief, der im Laufe der Jahre riesige Summen für die Missionsarbeit einbrachte. Auch das Kindermissionsfest ging auf ihre Initiative zurück. Ab 1937 in Südafrika, rief sie, zum Beispiel bei Missionarskonferenzen, auch die Frauen zusammen und arbeitete thematisch mit ihnen. Ebenso wusste sie Kinder für den Glauben zu begeistern mit ihrer Gabe, "lebendig und anschaulich zu erzählen". Dass hinter dieser Frau – unterwegs zwischen Indien, Schweden, Deutschland und Südafrika und Mutter von sieben Kindern, von denen zwei im Zweiten Weltkrieg fielen - auch ein hartes Lebensschicksal steht, scheint ihrem Glauben keinen Abbruch getan zu haben.

Elisabeth Grabe (geb. Peters; 1903 – 1936) ist eine weitere Frauenpersönlichkeit in der Hermannsburger Mission, deren Lebensweg wir anhand eines Buches nachvollziehen können (5). Ihre Briefe, die 70 Jahre lang in einem Schrank schlummerte, gewähren tiefe Einblicke in ihre Gedankenwelt und machen deutlich, dass "Else" Grabe als überzeugte Christin ihr Lebensziel darin sah, in die Mission zu gehen. "Sie gehört zum Kern des kleinen Teams der Hermannsburger Mission, das eine der schönsten Entwicklungen der Missionsgeschichte und großen Segen auslösen durfte: die Entstehung der Mekane-Yesus-Kirche in Äthiopien. "Heute gehören über dreieinhalb Millionen Mitglieder zu dieser weiter wachsenden Kirche", schreibt ihr Enkel Martin Grabe. Seiner Großmutter war es allerdings nicht vergönnt, diese Entwicklung weiter zu verfolgen. Sie starb mit nur 32 Jahren an den Folgen einer Tropeninfektion.

Literatur:
(1) Martina Helmer-Pham Xuan, Nina Dürr: Abschied gehörte dazu. Lebensspuren Hermannsburger Missionsfrauen im 20. Jahrhundert. Lit Verlag Dr. W. Hopf, 2010 Berlin
(2) Jobst Reller (Hg.): „Die Mission ist weiblich“. Frauen in der frühen Hermannsburger Mission. Lit Verlag Dr. W. Hopf, 2012 Berlin.
(3) Jobst Reller (Hg.) mit Rainer Allmann, Hartwig F. Harms, Kirsten Ruether: Frauen und Zeiten. Frauen in der Hermannsburger Mission und ihren Partnerkirchen im 20. Jahrhundert. Lit Verlag Dr. W. Hopf, 2014 Berlin.
(4) Jobst Reller: Elsa Wickert - das Leben einer Missionarsfrau zwischen Indien, Schweden, Deutschland und Südafrika. Ludwig-Harms-Haus Verlag 2016.
(5) Martin Grabe (Hrsg.): Post aus Äthiopien. Brautbriefe einer Afrikamissionarin. Verlag der Francke-Buchhandlung GmbH, 2007.

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