„Kirche gibt‘s auch anderswo“ - Ein Erfahrungsbericht von Frank Schütte/Südafrika
Vier Wochen lang war Frank Schütte zu Gast in Deutschland. Er hat Erfahrungen gemacht, die ihn zum Weiterdenken motiviert und inspiriert haben.
Kirche gibt es auch anderswo. Unter diesem Titel läuft das Austauschprogramm der Hannoverschen Landeskirche in Zusammenarbeit mit dem ELM, an dem ich in diesem Jahr vom 29. August bis 25 September teilnehmen durfte.
Kirche gibt es auch anderswo. Kirche gibt es… Das ist das Erste woran ich wieder erinnert wurde. Kirche gibt es. Punkt. Egal ob in Südafrika, oder in Deutschland, die Kirche Christi gibt es auch heute noch im einundzwanzigsten Jahrhundert. Ja, die Kirche gibt es, sie ist da, wirkt und bewirkt noch vieles. Das durfte ich sehen und erleben als ich in Deutschland war. Das Haus kirchlicher Dienste (HkD), in das ich einen Einblick durch meinen Gastgeber, Mirko Peisert (Direktor des HkD) erhielt, zeugt unter anderem hiervon. Mit über 200 Angestellten wird in diesem Haus mit viel Begeisterung und in vielen verschiedenen Fachbereichen ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Das HkD bietet Beratung, Begleitung, Schulungen, Veranstaltungen und Vorträge an und erstellt top Materialien für Kirchenkreise und Gemeinden innerhalb der Hannoverschen Landeskirche. Ganz am Anfang meiner Zeit in Hannover, durfte ich als Gast an der ersten Kuratoriumssitzung mit Mirko Peisert als neuem Direktor teilnehmen. Im Kuratorium, dem Leitungsgremium des HkD, sitzen begabte Menschen, die ein Herz für die Kirche haben und sich ganz und gar für das Weiterbestehen und die Wirksamkeit der Kirche einsetzen.
Während dieser Sitzung ist mir aber auch aufgefallen, wie komplex und auch unübersichtlich solche kirchlichen Institutionen werden können – etwas, woran die Leitung des HkD arbeiten möchte, sodass die Arbeit und die Aufgaben wieder klarer werden. Gleichzeitig ist mir bei meinem Besuch deutlich geworden, dass die Kirche in Deutschland in einer ganz anderen Liga spielt, wenn es um Finanzen und Ressourcen geht. Ich habe zwar mitbekommen, dass die Mitgliederzahl rasant abnimmt und dass die Kirche sich darüber große Sorgen macht, weil das eine große Auswirkung auf die Kirchsteuereinnahmen hat, dennoch hat die Kirche noch sehr viel und kann damit noch viel Gutes bewirken.
Das heißt, auch wenn die Kirche kleiner wird, auch wenn die Zahlen abnehmen, auch wenn die schönen alten Kirchgebäude oft leerbleiben, trotzdem habe ich erfahren, dass die Kirche auf vielen Ebenen noch lebt und wirkt. Das hat mir Mut gemacht. Daran halte ich mich fest. Noch gibt es die Kirche. Sie ist noch nicht in Vergessenheit geraten. Ja, die Kirche gibt es in Südafrika, woanders auf der Welt und in Deutschland, wo vieles aber auch ganz anders ist. Es war zwar nicht mein erstes Mal in Deutschland, aber trotzdem ist mir dieses Mal ganz besonders aufgefallen, wie vieles doch anders ist.
Zum einen, funktioniert alles sehr gut, oder zumindest im Vergleich zu Südafrika ausgezeichnet. Die Deutsche Bahn ist zwar nicht mehr das, was sie mal war, aber immerhin kann man mit ihr, auch wenn mit Verspätung, überall hinkommen. Dazu hat Deutschland auch eine Post die noch sehr gut funktioniert. Das trägt dazu bei, dass vieles der Öffentlichkeitsarbeit und auch „Fundraising“ der Kirche über Briefe und über die Post läuft. Eine unvorstellbare Sache für mich, der aus einem Land kommt, in dem das Postsystem dank offensichtlicher Korruption völlig heruntergewirtschaftet wurde. Dieses konnten sich einige Teilnehmer eines Fundraising Seminars, an dem ich auch teilgenommen habe, kaum vorstellen.
Dazu ist Armut in Deutschland im Vergleich zur weit verbreiteten Armut in Südafrika fast unbedeutend. Die Sozialstrukturen sind zwar unter Druck, aber nach wie vor noch sehr effektiv. Natürlich bin ich mir bewusst, dass es in Deutschland auch Probleme gibt, aber eben andere und auf einer anderen Ebene und daher beschäftigt sich Kirche „woanders“auch mit anderen Dingen, zum Beispiel Klimawandel, Wirtschaftsethik und Wohnkosten. Themen die bei uns nicht unwichtig sind, aber eben einen ganz anderen Stellenwert haben und daher in der Kirche in Südafrika viel weniger diskutiert werden.
Daher ist Kirche woanders auch oft sehr anders und doch, wie ich gemerkt habe, in vieler Hinsicht auch wiederum sehr ähnlich. Warum? Bei ganz vielen Gesprächen während meiner Zeit in Deutschland ist es mir aufgefallen, wie uns doch auch viele ähnliche Themen beschäftigen, zum Beispiel unsere Sorgen um die Jugend und die Zukunft, unsere Ängste, unsere Freuden und unsere Hoffnungen und dieses nicht nur im persönlichen Bereich, sondern auch in Bezug auf die Kirche.
Auf zwei verschiedenen Kontinenten, 10 000 km voneinander entfernt, stellen wir uns, mal etwas vereinfacht gesagt, ähnliche Fragen nach dem Sinn des Lebens, wir suchen alle eine Gemeinschaft in der man sich angenommen und geliebt fühlt und viele von uns sind sich dessen bewusst, dass Geld und Karriere nicht alles im Leben ist. Und bei diesen gemeinsamen Themen stellt sich für mich dann die folgende Frage: Welche Antwort gibt die Kirche dem Menschen auf diese Dinge und ist die Frohe Botschaft von Jesus Christus da eigentlich noch relevant? Ganz bestimmt! Das ist etwas, was ich für mich auch mitgenommen habe aus dem Lektorenkurs in Hildesheim, an dem ich teilgenommen habe.
Dort habe ich eine Gruppe Menschen kennengelernt, für die das Verkündigen der Frohen Botschaft zum Kerngeschäft der Kirche gehört. Im Blick auf den Mangel von Pastoren, der jetzt schon akut ist und nur noch akuter wird, lassen sich dort Menschen für die Verkündigung ausbilden, sodass die Kirche weiterhin diese wichtige Aufgabe ausführen kann. Bei den Gesprächen um den Essenstisch herum im Michaeliskloster ging es oftmals um die Fragen: Was macht Kirche zu Kirche? Was ist die Aufgabe der Kirche in Deutschland und auch anderswo in der Welt? Wie und als was wird Kirche eigentlich in Deutschland wahrgenommen? Ist die Institution Kirche noch als „Leib Christi“ erkennbar? Fragen, die wir uns in Südafrika genauso stellen müssen wie in Deutschland. Fragen, die mit großen Herausforderungen verbunden sind und uns immer wieder in Bewegung setzen wollen, weil Kirche ja in erster Linie eine Bewegung ist, die Menschen bewegen will und eben nicht eine Institution, die nur ums eigene Überleben und die Erhaltung von Strukturen kämpft.
Das sind so einige Erfahrungen, die ich in meiner Zeit in Deutschland machen durfte. Erfahrungen, die mich zum Weiterdenken motiviert und inspiriert haben. Wertvolle Erfahrungen, die mich bereichert haben und noch lange begleiten werden. Erfahrungen, die ich der Hannoverschen Landeskirche, dem ELM und dessen Mitarbeitern, meinen lieben Gastgebern, Mirko und Daniel, und den vielen anderen Menschen, denen ich in dieser Zeit begegnen durfte, zu verdanken habe. Ich hoffe, dass in Zukunft noch viele an diesem Austauschprogramm, Kirche gibt es auch anderswo teilnehmen werden und sich dadurch bereichern und inspirieren lassen.