Von der Baumwollernte zur Mode

Nachbericht einer Veranstaltung über Zwangsarbeit im 21. Jahrhundert.

Auch im 21. Jahrhundert sind Menschenhandel und Zwangsarbeit für Millionen Kinder, Frauen und Männer Alltag. Nach Schätzung der ILO sind weltweit 40 Millionen Menschen von Formen moderner Sklaverei betroffen.

Dr. Sabine Ferenschild ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Südwind e.V. und Expertin für Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie. Als solche schaut sie auf die gesamte Lieferkette von der Baumwolle und den Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, über das Garn und die Bedingungen in der verarbeitenden Industrie bis zur Näherei in der klassischen Textilindustrie.

Bei ihrem Vortrag in der Lutherkirche in Hannover, der vom ELM, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeits (KdA) und Südwind e.V. organisiert war, informierte sie umfassend und eindrücklich über Zwangsarbeit als einer Variante moderner Sklaverei.

Der Begriff der modernen Sklaverei, so Ferenschild, bündele die drei Komplexe Zwangsheirat, Zwangsarbeit und Menschenhandel, die jeweils Überschneidungen aufwiesen. So zeige sich zum Beispiel, dass viele zwangsverheiratete Mädchen als billige Arbeitskräfte in den Familien der Männer angesehen würden, die weitgehend ohne Rechte seien.

Menschenhandel beziehe sich überwiegend auf sexuelle Ausbeutung. Alle drei Formen finden auch in Deutschland und der EU statt und beschränkten sich nicht auf die Länder des globalen Südens.

Wie definiert sich Zwangsarbeit?

Die ILO wendet sich bereits 1930 in einem Übereinkommen gegen Zwangsarbeit und definiert sie als „jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat“.

Was ist die ILO?

Die ILO ist die „International Labour Organization“ (Internationale Arbeitsorganisation). Sie ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und damit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern. Dies schließt die Bekämpfung des Menschenhandels mit ein.

Die ILO ist damit beauftragt, internationale Arbeitsstandards weiterzuentwickeln. In ihr arbeiten Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeber zusammen. Sie arbeitet rechtsverbindliche Übereinkommen (Konventionen) und Empfehlungen aus. Davon werden verschiedene Gebiete des Arbeitsrechtes betroffen. Insgesamt existieren bis heute 188 Übereinkommen und 198 Empfehlungen, die auch als „Internationales Arbeitsgesetzbuch“ bezeichnet werden.

(Quelle: Wikipedia)

Woran erkennt man Zwangsarbeit?

Es gibt Hinweise, die auf ausbeuterische Arbeit schließen lassen. Dazu gehört zum Beispiel, das Einbehalten von Ausweispapieren, das verhindert, dass Menschen den ausbeuterischen Verhältnissen entfliehen können. Die soziale Isolierung, die dazu führt, dass Menschen sich in Netzwerken solidarisieren können, ist ein weiterer Indikator für Zwangsarbeit, ebenso wie der Zwang, Handys ungesichert abgeben zu müssen, das Vorenthalten von Löhnen und exzessive Überstunden.

Um Zwangsarbeit zu bekämpfen, beschreibt Ferenschild zwei unterschiedliche Wege:

Zum einen müsse man sich ansehen, weshalb Menschen anfällig für Zwangsarbeit seien. In Indien ist beispielsweise das Prinzip der Schuldknechtschaft weit verbreitet. In hoch verschuldeten Familien muss die gesamte Familie mithelfen, die Schulden abzuarbeiten. So kommt es häufig zu Kinderarbeit und der Unmöglichkeit, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Ferenschild sieht auch durch die Folgen von Corona, Kinderarbeit auf dem Vormarsch. Gerade Mädchen, die vor Corona noch zur Schule gingen, hätten während der coronabedingten Schulschließungen helfen müssen, das Familieneinkommen aufrecht zu erhalten. Ferenschild ist skeptisch, dass diese Mädchen in die Schulen zurückkehren. Das sei umso problematischer als es ein Wissen um die eigenen Rechte brauche, um sich gegen Zwangsarbeit wehren zu können. Dieses Wissen werde – wenn überhaupt – in den Schulen vermittelt.

Insgesamt gelte, dass besonders vulnerable Personengruppen wie Frauen, Kinder, ethnische Minderheiten, Arme und Arbeitsmigrant*innen einem erhöhten Risiko ausgesetzt seien, in Zwangsarbeitsverhältnissen zu landen.

Neben der langfristigen und umfassenden Aufgabe an den Faktoren etwas zu ändern, die Menschen anfällig für Zwangsarbeit machen, gibt es allerdings auch kurzfristig Möglichkeiten, wie Menschenrechtsverletzungen in der Textil- und Modeindustrie bekämpft werden können. Dazu gehört das Einfordern von Menschenrechtsstandards in der Lieferkette. Kritische Konsument*innen könnten zum Beispiel ihr Kaufverhalten an Siegeln ausrichten.

In Deutschland kommen derzeit ungefähr 1/3 aller Textilien aus China. In China werden fast alle Produkte, die Baumwolle enthalten, mit Hilfe von Zwangsarbeit produziert.

Wenn es weiter gelänge, Verbraucher*innen zu sensibilisieren, beim Kauf von Textilien darauf zu achten, ob sich die Textilunternehmen verpflichten, innerhalb ihrer Lieferkette keine Zwangsarbeit zu dulden, könne das ein vielversprechender Weg sein, meint Ferenschild, auch wenn das Lieferketten(sorgfaltspflichten)gesetz im Einzelnen schwierig nachzuprüfen sei.      

Für weitere Informationen können Sie sich auf der Webseite von Südwind informieren:

https://suedwind-institut.de/publikationen-318.html

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