„YES! For an Inclusive Church"

Es geht nicht darum, ob man eine inklusive Kirche möchte, sondern darum eine inklusive Kirche zu bejahen.

„Yes! For an Inclusive Church“ war der Titel eines englischsprachigen Seminars am 31. Mai 2022, zu dem Gabriele De Bona, Referentin Gender International im ELM, eingeladen hatte.  Bereits der Veranstaltungstitel ließ keinen Zweifel an der Stoßrichtung der Veranstaltung: Es geht nicht darum, ob man eine inklusive Kirche möchte, sondern darum, eine inklusive Kirche zu bejahen und sich dafür einzusetzen, ein „offenes Haus für alle“ zu sein, wie De Bona es in ihren einleitenden Worten formulierte.
Um diese These zu untermauern, hatte De Bona prominente und sprachmächtige Gäste eingeladen: 
Lilana Kasper ist Pastorin in der ELCSA, der größten ev.-luth. Kirche im Südlichen Afrika. Kasper ist auch Geschäftsführerin der LUCSA und damit eine der wenigen Frauen in hohen Führungspositionen der Kirche. Die Lutherische Gemeinschaft im südlichen Afrika (LUCSA) ist eine regionale Organisation des Lutherischen Weltbundes, die 15 Mitgliedskirchen in 10 Ländern des südlichen Afrikas als Servicedienstleister für ganzheitliche Mission zur Verfügung steht.
Sie meint: „Für uns in Afrika ist eine diverse Kirche immer noch eine Herausforderung. Es ist immer noch ein Kampf für Frauen um die Ordination, um Raum, um das Gesehenwerden. Es sind keine anderen Frauen in Sicht außer den wenigen, die jetzt da sind. Es gibt keine geschützten Räume (safe spaces) für Frauen.“ Deshalb plädiert sie dafür, die Komfortzone zu verlassen und unbequem zu sein. „Gender Inclusivness“ sei so gut wie gar nicht in kirchliche Strukturen implementiert und eine vorgeschlagene Quotierung ist krachend gescheitert. 
Neben dem mangelnden politischen Willen, allen Geschlechtern in der Kirche gerecht zu werden, verhehlt Kaspar nicht, dass sie selbst ganz persönlich diskriminiert wird. Als Generalsekretärin sei sie eben kein Bischof und alles, was sie an Herabsetzung erlebe, weil sie eine Frau ist, widerfahre ihr selbst in der (hohen) Position, in der sie jetzt ist.    
Prof. Dr. André Sidnei Musskopf lehrt an der Bundesuniversität Juiz de Fora in Brasilen am Institut für Humanwissenschaften mit der Vertiefungsrichtung: Religion, Gesellschaft und Kultur. Seine Forschungsbereiche und -themen sind: Feministische Studien, Gender Studies, Queer Studies, Männlichkeit, Homosexualität und Sexuelle Diversität in ihrem Verhältnis zu Theologie und Religion. Er kämpft für die Öffnung kirchlicher Einrichtungen, vor allem aber für die Behauptung und Ausübung der religiösen Bürgerrechte von LGBT-Menschen trotz der ausgrenzenden Diskurse der Kirchen.
Er spricht in seinem Vortrag von einer willkommen heißenden, offenen und affirmativen Kirche. Von einer Kirche als lebendiger Organisation, die sich endlich von der Idee verabschieden müsse, in sich ein monolithischer Block zu sein. Als Beispiel führt er an, dass die protestantischen Kirchen seiner Ansicht nach alles eliminierten, was "magisch" sei, statt anzuerkennen, dass religiöse Erfahrungen vielfältig und veränderlich seien. „Das Problem ist nicht die Diversität, sondern wie wir mit ihr umgehen“, sagt er. Die Diversität sei nicht irgendwo anders zu finden, sondern immer schon mitten unter uns. Leider verstünde sich Kirche als Institution immer noch häufig als „Kontrollinstanz“, die einteile in richtig und falsch. Aber „Kontrolle ist keine Aufgabe der Kirche. Wir müssen zusammenleben. Wenn wir nicht in der Lage sind, Diversität zu leben, werden wir sterben“, so  Musskopf. Er plädiert für mehr Fluidität anstelle von Festigkeit.
Das zeigt sich auch in der Diskussion, die sich an den Vortrag von Dr. Kerstin Söderblom anschließt. Söderblom ist evangelische Pfarrerin mit Zusatzausbildungen im Bereich der Seelsorge, der systemischen Organisationsentwicklung und Supervision, dem Coaching und der Mediation. Sie arbeitet als Pfarrerin und Seelsorgerin in der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) an der Universität in Mainz. Ihre Schwerpunkte sind interkulturelle und geschlechtssensible Supervision und Seelsorge, Coaching und Konfliktberatung und ist Aktivistin in der LGBTQ-Bewegung.
Frau Söderblom plädiert in ihrem Vortrag dafür, Gesicht zu zeigen und die eigene Geschichte zu erzählen, um klarzumachen, dass es nicht die „Anderen“ sind, die schwul oder lesbisch sind, sondern Menschen, mit denen wir täglich zu tun haben oder wir selbst. 
Musskopf schränkt diesen Vorschlag mit dem Argument ein, dass wir derzeit in fundamentalistischen Kulturen leben würden, in denen es neben der Angst vor Veränderungsbereitschaft auch die Angst vor dem Verlust von Privilegiertenvorrechten gäbe und dass es für diverse Menschen, die bereit seien ihre Geschichte zu erzählen, auch immer Menschen geben müsse, die bereit seien zuzuhören. Seine Strategie sei deshalb, Netzwerke zu knüpfen mit heterosexuellen Menschen und in ihnen Fürsprecher*innen zu finden.
Einigkeit bestand darin, dass „Wir viele in Christus sind“, die Bibel neu und anders lesen müssen als es vielleicht noch unsere Vorfahren taten, es geschützte Räume für einen Austausch geben müsse und dass es an der Zeit sei, nicht nur über die Diversität bei LGBTQ-Menschen zu reden sondern auch über die Diversität von „alten, weißen Männern“, denn Diversität findet sich überall in und außerhalb der Kirche und der eigenen Kreise.