Ein Signal für das Werk

Mit Dr. Emmanuel Kileo steht erstmals ein Pastor aus einem afrikanischen Land an der Spitze des ELM. Eine Revolution für das Werk, schreibt Karen Miether vom Ev. Pressedienst in der folgenden Reportage.

In seinem Büro in Hermannsburg sind die Wände noch kahl. Ein Holzkreuz und ein Regal mit Büchern hat der Vorgänger dagelassen. Gerade mal seit etwas mehr als einer Woche leitet Emmanuel Kileo als neuer Direktor das traditionsreiche Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen. Doch über eigene Akzente macht sich der 48-Jährige schon Gedanken, auch mit Blick auf die Büroausstattung: "Vielleicht hänge ich ein Bild vom Kilimandscharo auf."

In der fast 200-jährigen Geschichte des Werkes ist Kileos Wahl eine Revolution und zugleich eine konsequente Folgerung eines gewandelten Missionsverständnisses. Denn der promovierte Theologe ist am Fuße des Berges in Tansania aufgewachsen. Zuletzt lehrte er dort an der Universität in der Stadt Moshi. Mit ihm steht erstmals ein Pastor aus dem globalen Süden an der Spitze des Missionswerkes. "Ein Brückenbauer" - so versteht er sich.

Deutschlandweit ist er nach dem früheren Generalsekretär der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal, Fidon Mwombeki, der zweite Afrikaner in einem solchen Leitungsamt. Kileo kennt sich aus mit Vorurteilen in beide Richtungen und damit, Wege zu finden, diese zu überwinden. Acht Jahre lang, von 2007 bis 2014, war er als Pastor in Kaufbeuren in Bayern tätig. Die deutsche Sprache habe er schon vorher in Bochum gelernt, erzählt er: "Aber meine beiden Söhne sprechen nicht nur Hochdeutsch, sondern auch Allgäuerisch."

Über verdeckten Rassismus, auch in der kirchlichen Partnerschaftsarbeit, hat Kileo an der Augustana Hochschule der bayerischen Landeskirche seine Doktorarbeit geschrieben. Schon in der Sprache komme dieser nach wie vor zum Ausdruck, sagt er: "In Partnerschaftskreisen wird zum Beispiel bis heute in Spendensammlungen um einen Pfennig für die Mission gebeten." In so manchen Berichten von deutschen Pastoren oder Medizinern, die in Afrika tätig waren, werde die Stadt beschrieben wie ein Dorf und die Klinik wie ein Gesundheitszentrum, sagt er. "Die Dinge werden klein gemacht."

Die Missionswerke in Deutschland haben heute den Anspruch, auf Augenhöhe mit ihren Partnern in aller Welt zusammenzuarbeiten. Doch aus Kileos Sicht wirkt die Geschichte der mit der Kolonialzeit einhergehenden Missionierung in manchen südlichen Ländern noch immer nach. "Der Kolonialismus steht für ein Gefälle."

Das Hermannsburger Werk, das 1849 von dem evangelischen Pastor Ludwig Harms (1808-1865) in der Lüneburger Heide gegründet wurde, unterhält heute Kontakte zu 22 Kirchen in 17 Ländern. In einer Zeit kirchlicher Aufbrüche bildete Harms einst Missionare aus, von denen die ersten in Südafrika tätig waren. "Jetzt auf seinem Stuhl zu sitzen ist schon spannend", sagt der Nachfolger aus Tansania Generationen später.

Heute entsendet das niedersächsische Missionswerk keine Mitarbeitenden mehr ins Ausland, sondern finanziert Stellen in den selbstständigen Partnerkirchen. Langfristig könnte man darüber noch einmal nachdenken, sagt der neue Direktor. "Ich halte es für wichtig, gegenseitig Mitarbeiter auszutauschen, nicht nur Geld zu schicken, sondern Begegnungen zu schaffen", betont Kileo. "Brückenbau geht nur, wenn man die andere Seite auch kennt."

Die Kontakte, die aus dem Heidedorf zu den Partnerkirchen in aller Welt gewachsen sind, machen Probleme wie den Klimawandel noch deutlicher bewusst, weiß der Theologe aus Tansania aus eigener Anschauung. "Wir können hier für Menschen wie die Massai in der Steppe nahe meiner Heimat Fürsprecher sein. Dort hat es seit zwei Jahren nicht geregnet, und die Tiere sterben, weil sie kein Futter mehr haben." Auch am Kilimandscharo ließen sich die Veränderungen ablesen. "Der Schnee auf dem Berg wird weniger, das sehen wir", sagt Kileo. "Die Schönheit des Landes ist in Gefahr."

Für seine drei niedersächsischen Trägerkirchen sei das Missionswerk ein Fenster in die Welt, sagt er. Mit Austauschprogrammen, Anwaltschaft für die Länder des Südens und den Projekten in den Partnerkirchen leiste es weit mehr als er zunächst gedacht habe. "Ich beschäftige mich gerade mit dem Gefühl von Fremdsein und Heimat. Das dreht in meinem Kopf manchmal Kreise", kommentiert er erste Eindrücke. Es sei wichtig, dass die Christen in der Welt zusammenrücken - im Gebet und im Einsatz für Gerechtigkeit.

epd/Karen Miether