Von der Mühsal der Anpassung

Malawis Kleinbauern kämpfen gegen die Folgen der Klimakrise. Wie das gelingen könnte, beschreibt Tobias Schäfer-Sell.

Chikondi, ein langjähriger Mitarbeiter der lutherischen Kirche in Malawi, berichtet mir begeistert von seinen Versuchen mit Permakultur. Er hat an einem Workshop teilgenommen und versucht nun, die Techniken für Bodenschutz und Humusbildung in seinem eigenen Garten umzusetzen. So wie Chikondi bewirtschaften über 80 Prozent der malawischen Haushalte eigene Felder, bauen mit manuellen Techniken und Werkzeugen Mais, Maniok oder Erdnüsse an. In erster Linie für den eigenen Verbrauch, in guten Jahren werden Überschüsse auf dem Markt verkauft.

Gute Jahre werden seltener – was also tun?

Aber gute Jahre sind selten geworden. Die Landwirtschaft in Malawi steht vor gewaltigen Herausforderungen: Extremwetter wie Starkregen und Trockenheit treten infolge der Erderwärmung immer häufiger auf. Zuletzt kam es nach dem Tropensturm Ana im Januar 2022 in Süd-Malawi zu Überflutungen. Ganze Dörfer und Felder wurden überschwemmt, Ernten vernichtet. Die Regenzeit, so berichten unsere Partner, habe sich immer weiter verkürzt und sei unberechenbar geworden. In der Landwirtschaft gilt der Export von Tabak als wichtige Einnahmequelle für Malawi, dabei weisen Tabakpflanzen – neben allen anderen negativen Aspekten dieser Industrie – eine extrem schlechte Bilanz in Bezug auf den Wasser- und Nährstoffverbrauch aus. Auch der weit verbreitete Maisanbau ist sehr wasserintensiv und anfällig für Schädlinge. Wälder werden für Feuerholz dezimiert, dabei sind sie wichtige Wasserspeicher und Erosionsschutz.

Was also tun, wie gegensteuern? Peter Kaniye ist Experte für Permakultur und bietet mir eine Führung auf einem kleinen Hof zirka 20 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt Lilongwe an. Seit 2003 wird hier in einem Modell-Projekt nach den Ideen der Permakultur gewirtschaftet und angebaut. "Never Ending Food" lautet der Name. Schon beim Betreten des Grundstücks fällt ein großer Unterschied auf. Der Boden ist mit trockenen Blättern und Grünschnitt bedeckt. Kein sauber gefegter fester rot-lehmiger Boden wie sonst in vielen Dörfern Malawis. "Wir schützen damit den Boden vor der Sonne und halten bei Regen die Feuchtigkeit länger fest", sagt Peter Kaniye. Das Nutzwasser wird mit viel Bedacht den Pflanzen zugeleitet. Die meisten Pflanzen haben eine spezifische Funktion, halten etwa mit ihren Duftstoffen Moskitos ab oder sorgen für Kühlung und Schatten. Auf dem Grundstück gibt es viele verschiedene Obst- und Gemüsesorten, verschiedenste Kräuter, Getreide und andere Nutzpflanzen. "Die Vielfalt der Pflanzen ist ein wichtiges Prinzip. Sie unterstützen und ergänzen sich gegenseitig, reifen zu verschiedenen Zeiten und brauchen unterschiedliche Nährstoffe. So wird der Boden nicht ausgelaugt", erklärt der Experte für Permakultur. Auch bei "Never Ending Food" wird Mais angebaut, das am meisten konsumierte Nahrungsmittel in Malawi. Aber auf demselben Feld wachsen dicht an dicht auch viele andere Früchte. Das Feld ist zudem von Bäumen und Hecken eingegrenzt, die vor Wind und Sonne schützen.

Never Ending Food: Hoffen auf die jungen Menschen

Die Initiator/innen und Mitarbeitenden von "Never Ending Food" sind davon überzeugt, dass ihre Ideen viel zur Ernährungssicherheit und auch gegen die negativen Folgen der Klimakrise in Malawi, wie Bodenerosion und Ernteausfälle, beitragen können. Viele Gruppen besuchen das Projekt. Es werden Workshops angeboten und Informationen über eine Website und andere Medien geteilt. Stolz werden Vor- und Nachher-Bilder präsentiert: ausgelaugte staubige Böden auf der einen, sattes Grün und Pflanzenreichtum auf der anderen Seite. Bei aller Begeisterung über die Erfolge ist aber auch Enttäuschung spürbar, dass die Ideen nicht über Anschauung und Mund-zu-Mund-Propaganda schneller übernommen und kopiert werden. "Die Menschen sehen doch, dass hier auch in trockenen Jahren viel Mais wächst und noch alles grün ist, wenn die Felder ringsum nach der Ernte im Mai schon brach liegen und austrocknen", so Peter Kaniye mit Blick auf das Nachbargrundstück, "aber es werden weiter Monokulturen angebaut und Böden vertrocknen". Hoffnung machen ihm aber die vielen jungen Menschen, die die Workshops von „Never Ending Food“ besuchen, und die Studierenden aus dem Fachbereich Landwirtschaft der Universität, die ein Praktikum absolviert haben. Ihnen falle es leichter, bestehende Praktiken zu hinterfragen und neue Methoden auszuprobieren.

An Ideen und Projekten mangelt es nicht in Malawi. Ob Baumpflanzaktionen, sparsame Lehmöfen, kleine Solarmodule oder intelligente Bewässerungsanlagen – im günstigsten Fall vereinfachen diese den Alltag von einzelnen Familien und Gemeinschaften, verändern aber nicht über Nacht jahrzehntelange Praxis und Abhängigkeiten in der malawischen Landwirtschaft. An dieser Stelle müsste man sehr ausführlich über koloniales Erbe, Klientelpolitik, wirtschaftspolitische Fehlanreize und die globale Agrarindustrie schreiben. Internationale Inititiaven, etwa über die G8, zielen häufig auf private Investitionen in die Landwirtschaft und bedienen die Interessen von Unternehmen die eine industrielle, auf Mineraldünger und Hybridsaatgut setzende Landwirtschaft verfolgen

Nachhaltige Landwirtschaft – ein Thema für die Kirche

Auch der lutherische Entwicklungsdienst ELDS in Malawi hat das Thema nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung zu einem seiner Schwerpunkte gemacht. In einem dreijährigen Pilotprojekt mit 300 Kleinbauern in der Region Zomba finden Programme zum Anbau dürretoleranter Früchte und landwirtschaftlicher Diversifizierung statt. Es geht darüber hinaus um die Produktion von eigenem Saatgut und Kompost, um die Lagerung und Vermarktung von Agrarprodukten. Ideen und Techniken aus dem Bereich der Permakultur spielen auch hier eine Rolle, gleichwohl ist eine höhere Sortenvielfalt und die Abkehr von künstlichem Dünger ein langwieriger Prozess für die seit vielen Jahren konventionell bestellten Äcker. Das Pilotprojekt nimmt explizit Bezug auf die Auswirkungen der Klimakrise für die Kleinbauern. Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinden gegenüber Katastrophen zu verbessern. Es geht also nicht um die Umkehr oder Abwendung des Klimawandels und seiner Folgeschäden, einer Katastrophe an deren Entstehung Malawis Bevölkerung keinen Anteil hat, sondern um Anpassung. "Wir reagieren und müssen uns anpassen, das ist schon sehr frustrierend", so Dickens Mtonga, der als Leiter von ELDS das Projekt verantwortet, "aber ich bin Optimist; wir haben genug Land und Wasser und das notwendige Wissen ist vorhanden für eine ertragreiche Landwirtschaft auch unter veränderten Bedingungen." Ein Gedanke, der überzeugt: Es gibt ein Problem, aber die Ursachen sind bekannt und Lösungsansätze liegen auf dem Tisch. Jetzt geht es darum, diese umzusetzen und zu handeln. Auf diesen simplen Satz lassen sich im Wesentlichen auch die Forderungen der globalen Fridays-for-Future Bewegung zurückführen. Und noch eine andere Erkenntnis macht Mtonga Hoffnung: "Am Ende geht es beim Umgang mit Krisen um den sozialen Zusammenhalt. Gemeinschaften, die solidarisch sind und sich etwa bei Ernteausfällen gegenseitig unterstützen, können Krisen viel besser überstehen und sind weniger abhängig von externer Hilfe." Auch hierzu leisten die Kirchen in Malawi einen wichtigen Beitrag.

Tobias Schafer-Sell ist Referent fur Advocacy International und Okumenische Zusammenarbeit mit Malawi beim Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM).

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