Täter oder Opfer oder ...?

Einblicke in die Arbeit mit Männern bei der Gender-Sommerakademie

Sie sind meist nicht im Fokus der Gender-Thematik und dennoch führt kein Weg an ihnen vorbei, wenn man über Gleichberechtigung der Geschlechter redet: Den Männern war im Rahmen der internationalen Gender-Sommerakademie ein Nachmittag gewidmet. Denn auch (heterosexuelle) Männer sind auf der Suche nach tragfähigen Rollen in Partnerschaft, Gesellschaft und Kirche. Zu Gast waren Jens Seliger von der Männerarbeit im Haus kirchlicher Dienste der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und Verena Wilkening, die über ihre Arbeit im Männerbüro Hannover berichtete.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Ziel der Männerarbeit im Haus kirchlicher Dienste nicht von kirchlicher Arbeit für andere Gruppen: "Die Herausforderung besteht darin, die eigene Persönlichkeit in Beziehung zu Gott zu finden und damit Verantwortung in der Welt zu übernehmen", fasste Jens Seliger zusammen. Besonders bei der Arbeit mit Männern stellt sich für die kirchlichen Akteure allerdings die Frage, wie sie diese Zielgruppe überhaupt erreichen können. Denn es sind vor allem Frauen, die kirchliche Angebote nutzen und sich ehrenamtlich engagieren.

"Männer organisieren sich nicht"

Das scheint in anderen Ländern nicht anders zu sein, wie die Teilnehmenden der Gender-Akademie bestätigten. "Frauen und Jugend organisieren sich, Männer nicht", berichtet John Bvumbwe aus Malawi. Angesprochen fühlen sich Männer am ehesten durch Angebote, bei denen sie aktiv werden können, meint Jens Seliger. "Mit anderen Männern unterwegs sein, das Leben und den Glauben teilen", benennt er die aus seiner Sicht erfolgversprechendsten Aktivitäten. Bei einer Teilnehmerin aus Brasilien, die viel mit häuslicher Gewalt konfrontiert ist, lösten die Ausführungen ein gewisses Befremden aus: "Wir arbeiten so hart daran, dass sich zwischen Männern und Frauen was ändert. Und die Männer denken darüber nach, wie sie das Leben mehr genießen können..."

"Manche bevorzugen es, ins Gefängnis zu gehen"

Ihrer Arbeitswelt wesentlich näher kam der Vortrag von Verena Wilkening über ihre Arbeit mit Männern, die – meist im häuslichen Umfeld – gewalttätig geworden sind. Im Männerbüro Hannover, das als Verein von Stadt und Region getragen wird, begleitet sie Männer auf dem Weg aus der Gewaltspirale. Allerdings nur diejenigen, das auch wirklich wollen, wie sie betont. "Das Training ist keine leichte Zeit. Manche bevorzugen es, ins Gefängnis zu gehen anstatt ihre Probleme aufzuarbeiten", so Wilkening.

Sie weiß, dass viele der Täter in ihrer Kindheit oder Jugend selbst Opfer von Gewalt waren. Bei der Aufarbeitung gehe es in einem solchen Fall darum, zuerst die eigene Erfahrung von Gewalt zu thematisieren. Hilfestellung gibt es bei der Benennung von Gefühlen durch eine Liste mit Adjektiven. Die Empfindungen erstmal nur abzulesen, mache das Aussprechen leichter, erläutert die Sozialarbeiterin (M.A.).

In größeren Familienverbänden sinkt der Gewaltlevel

Wie entsteht häusliche Gewalt? Über diese Frage gab es im Anschluss angeregte Diskussionen. "Wir sehen Vaterschaft nicht nur als biologische Vaterschaft", berichtete Kagiso Morudu, Pastor aus Südafrika und brachte damit einen Gedanken in die Runde, der in Deutschland als afrikanisches Sprichwort kursiert: "Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen." Diese Aussage bestätigte Verena Wilkening aus wissenschaftlicher Sicht: "In größeren Familienverbänden sinkt der Gewaltlevel".

Nicht ausgespart wurde auch das Thema "Männer und Jungen als Opfer häuslicher Gewalt". „Wenn du in Südafrika als Mann zur Polizei gehst und erzählst, dass dir das passiert, macht sich die Polizei darüber lustig“, sagt Raymond Kok, der als ehemaliger Polizist weiß, wovon er spricht. Möglicherweise gibt es das auch in Deutschland. Es gibt aber auch Anlaufstellen für Männer und Jungen, die Opfer von – häufig psychischer Gewalt – sind. In Hannover ist es die Beratungsstelle "Anstoß", die im Männerbüro angesiedelt ist.

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