"Mission hat viel Gutes bewirkt"

Ein Interview mit dem Direktor des ELM Dr. Emmanuel Kileo zum 175. Jubiläum.

Herr Dr. Kileo, die „Hermannsburger Mission“, heute Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen, wird 175 Jahre alt. Wie ist Ihre Gemütslage als Direktor dieses Werks anlässlich dieses Jubiläums?

Ich bin beeindruckt, dass wir so eine lange Geschichte haben. Wir haben schon viel geleistet, aber auch noch viel vor uns. Die Geschichte steht hinter uns als Basis für die weitere Arbeit.

Also überwiegt der positive Blick?

Ja. Ludwig Harms wollte da Mission betreiben, wo es keine Kolonialisierung gab. Deswegen ließ er ein eigenes Schiff bauen, die Candace. Er wollte nicht mit den Kolonialisten unterwegs sein.

Wenn Sie Ludwig Harms heute treffen würden – gibt es etwas, das sie ihn fragen oder ihm sagen wollen?

Ich würde gerne wissen, wie er es geschafft hat, so viele Menschen für die Mission zu gewinnen. Aber ich würde ihn auch fragen, warum er sich nie selbst auf den Weg gemacht hat in andere Länder. Hat er nicht getraut? Es heißt ja, etwas selbst sehen ist anders als etwas erzählt zu bekommen. Was mich auch noch interessieren würde: Woher hatte er sein Wissen über die Länder, in die die Missionare ausgereist sind.

Wie sieht denn Ihre persönliche Vision von Mission aus?

Es ist Tatsache, dass wir von Gott einen Auftrag haben. Wir sollen von Gott erzählen, und die Menschen sollen Gott erfahren können. Sie sollen die Früchte des Heiligen Geistes spüren, als Liebe, als Gerechtigkeit, als Frieden. Das ist übrigens auch in anderen Religionen so. Wir sind  beauftragt, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Frieden und Gerechtigkeit leben können.

Als Pastor ist das für Sie ja eine berufliche Tätigkeit. Wie setzen Sie den Missionsauftrag persönlich um?

Ich muss auch als Privatperson Mission leben. In meiner Schulzeit in einer Missionsschule hatte ich viel Kontakt zu Missionaren aus Südkorea und Singapur. Die haben mit uns die Bibel gelesen, auch ihren Blick aus Asien mitgeteilt, aber auch mit uns gelebt. Wie sie als Christen mit uns unterwegs waren, das hat uns sehr geprägt. Da habe ich gespürt: Wir teilen nicht nur, was wir glauben, wir teilen auch, wer wir sind. Mission ist auch eine christliche Haltung!

Jetzt sind Sie seit beinahe einem Jahr im ELM. Wenn Sie nochmal zurück blicken, was hat Sie motiviert, sich in einem deutschen Missionswerk zu bewerben?

Ich war ja vorher schon in Bayern als Pastor gewesen. Dort habe ich festgestellt, dass es gut ist für die Gemeinden, einen Blick von außen zu haben. Kirche soll über den Tellerrand schauen. Daran sind die Menschen auch tatsächlich interessiert gewesen. Und das habe ich dann auch ein bisschen als meinen Auftrag wahrgenommen.

Und wie sieht ihr Resümee nach einem Jahr im ELM aus?

Ich bin überrascht, dass das ELM noch so viel mehr macht, als das, wofür es bekannt ist. Zum Beispiel die Austauschprogramme oder die internationalen Gesprächsformate online. Die Beziehungen in die Partnerkirchen sind spannend, aber auch herausfordernd. Denken wir zum Beispiel an Russland, oder Indien, die Zentralafrikanische Republik oder auch Äthiopien. Es ist kein lockerer Job hier. Aber was nützen uns Beziehungen in Kirchen, die genauso sind wie wir? Das wäre doch langweilig. Wir sind berufen, mit den anderen unterwegs zu sein. Jesus hat sich mit den Benachteiligten identifiziert. Und es gibt viele Kirchen, die in schwierigen Situationen sind weltweit. Mit ihnen sind wir solidarisch und nehmen das als Chance wahr.

Was sind Herausforderungen für die Zukunft des ELM?

Unsere Partner haben vielleicht nicht immer den Eindruck, dass wir wirklich gleichberechtigt gemeinsam unterwegs sind. Es gibt immer noch eine Schieflage zwischen Gebern und Empfängern. Aber das finanzielle Gewicht sollte nicht gleichgesetzt werden mit dem inhaltlichen Gewicht. Die erlebte Gemeinschaft in der Partnerschaft ist wichtiger als die finanziellen Ressourcen. Inhaltlich auf einer Augenhöhe zu sein, ist unser Ziel.

Einerseits unterstützt das ELM, auch dank unserer Trägerkirchen in Niedersachsen, die Kirchen im Globalen Süden finanziell. Aber andererseits kann Kirche in Deutschland auch von Kirche auf anderen Kontinenten lernen, oder?

Ja, es gibt viel zu lernen. Wir sind unterwegs als eine Lerngemeinschaft. Zum Beispiel ist das Thema Ehrenamt in Deutschland noch nicht so richtig angekommen. Die aktuelle Situation hier zwingt uns aber dazu, das Ehrenamt auszubauen. Was wir hier im globalen Norden ebenfalls lernen können ist, wie Kirche sich in interreligiösem und interkulturellem Kontext aktiv gestalten kann. Wir können lernen, was es bedeutet, als kirchliche Gemeinschaft in der Minderheit zu sein und trotzdem eine Identität zu haben.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einem Marktplatz an einem Stand des ELM. Und da kommt jemand vorbei, der mit Kirche nichts am Hut hat und sagt, „Mission, das ist doch Schnee von gestern“. Was würden Sie dem sagen?

Ich wäre heute nicht hier, wenn ich nicht als Kind eine Missionsschule besucht hätte. Mission hat schon viel Gutes bewirkt, gerade im Bereich Bildung, aber auch Gesundheit. Die Bibel ist ein Segen für uns, sie spricht uns immer wieder neu und anders an. Die christlichen Werte finden sich heute auch in den Menschenrechten wieder. Und die sind doch ein wertvoller Beitrag für ein gelingendes Zusammenleben.

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