Sie wird das System nicht verändern - aber für Einzelne verändert sie die Welt.

Bei einem digitalen Kurzbesuch (ELMinar) erlebten die Teilnehmenden anschaulich, wie die Stiftung "Lutheran Community Outreach Foundation" (LCOF) sich für Geflüchtete einsetzt.

Outreach als Nomen heißt wörtlich übersetzt "Reichweite", als Verb heißt es aber „sich auszustrecken, sich hinzuwenden, auch mit sozialem Engagement oder sozialer Unterstützung. Die Stiftung versteht unter outreach das   Zugänglichmachen von Informationen und Dienstleistungen für Menschen, die andernfalls davon ausgeschlossen sein würden. Bezog sich das vor knapp zehn Jahren noch auf eine überschaubare Zahl von Menschen, sind es heute Tausende von Menschen, die ohne Hoffnung und ohne Zukunft ihr Leben auf Straße fristen.

"Die offizielle Arbeitslosigkeit in Südafrika beträgt 31,9%, die inoffizielle 48%. Nimmt man die Altersgruppe 18-35 Jahre liegt die Quote bei 65%. Das ist eine tickende Zeitbombe", sagt Robert Michel, Geschäftsführer der Outreach Foundation. "Die Arbeitslosigkeit ist so hoch, dass man sich fragen kann, was ein Kurs in dem 15 Menschen eine Kurzausbildung erhalten, eigentlich bewirkt. Und ja, gegen die hohe Arbeitslosigkeit können wir nichts ausrichten - aber für den Einzelnen bedeutet es sehr viel, Arbeit zu finden."

Heute sind die meisten der Hilfesuchenden Migrant*innen und Geflüchtete. "Die LCOF bietet Kurzausbildungen an. Die Menschen, die nach Hilfe suchen, können es sich nicht leisten 3-4jährige Ausbildungen zu machen. Sie haben jetzt Hunger und brauchen jetzt Arbeit, mit der sie ihre Familie einigermaßen über die Runden bringen können", weiß Michel. "So viel Ausbildung wie möglich in kürzester Zeit. Dabei ist das vorrangige Ziel nicht der Arbeitsmarkt, sondern Hilfe zur Selbsthilfe."

In den Kursen werden Kompetenzen vermittelt wie Schminken, Kochen oder Nähen sowie Fertigkeiten im Bereich Solarenergie, Elektroinstallationen, Schweißen, Computer- und Softwarekurse oder Gartenbau und landwirtschaftliche Kenntnisse.

Schätzungen zufolge gibt es 4,6 Millionen illegale Einwanderer*innen im Land (bei 62 Mio. Einwohner*innen 2022), die keinerlei staatliche Hilfen bekommen. "Wenn heute jemand in Südafrika einen Asylantrag stellt, muss er rein rechnerisch 86 Jahre warten, bis er eine Antwort bekommt. Das ist zynisch. Der Asylantrag muss außerdem alle sechs Monate verlängert werden. Die brennendsten Themen dieser Menschen sind Arbeit, Essen und Trinken und Rechtssicherheit. Vor allem Kinder von Eingewanderten sind häufig völlig rechtlos. Kinder von Menschen, die kein Daueraufenthaltsrecht in Südafrika haben, können keine Staatsbürger werden. Voraussetzung dafür wäre, dass mindestens ein Elternteil legal im Land ist. Während die Eltern also wenigstens die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes haben, sind die Kinder staatenlos.

Die erste Anlaufstelle in der LCOF ist deshalb ein*e Sozialarbeiter*in, der oder die gemeinsam mit den Klient*innen eine Situationseinschätzung vornimmt und weitere Schritte plant. Wenn es vorrangig um rechtliche Fragen geht, werden Anwält*innen eingeschaltet. Es können aber auch die Vermittlung von psychosozialer Beratung, der Inanspruchnahme von sozialen Diensten, Kurse zur Stärkung des Selbstbewusstseins für Frauen und Traumabehandlungen in Anspruch genommen werden.

"Der südafrikanische Staat bietet Geflüchteten keinerlei Hilfen an, es gibt keine Integrationsbemühungen. Die Klinikversorgung ist schon für Südafrikaner*innen schlecht, erst recht für Migrant*innen. Die Schulen sind heillos überlastet. Pro Klasse sind hier 60-80 Kinder. Wenn die Kapazitätsgrenzen erreicht sind, werden die Kinder von Geflüchteten nicht beschult", so Michel. Er verweist darauf, dass die Ausschreitungen gegenüber Geflüchteten zunehmen, weil ihnen die Schuld an der Misere des Landes gegeben werde, an der tatsächlich vor allem die Geflüchteten selbst leiden, weil sie ganz am Ende der Kette stünden.

Neben Geflüchteten aus Mosambik, Malawi, dem Kongo, Äthiopien, Somalia, dem Südsudan und Nigeria, sind es vor allem Geflüchtete aus Simbabwe, die häufig nach Südafrika einreisen, weil sie sich dort ein besseres Leben versprechen.

Deshalb hat die LCOF an der Grenze zu Simbabwe in Musina eine kleine Beratungsstelle eingerichtet, die sich in einem großen Netzwerk um Menschen kümmert, die sich auf den Weg nach Südafrika machen wollen. An diesem Netzwerk sind unter anderem der Stadtrat in Musina, das Rote Kreuz, die UN, die Outreach Foundation und die katholische Kirche beteiligt, die abgestimmt und aufgabenteilig eruieren, welche rechtlichen, arbeitsmarktlichen, sozialen und wohnungsbezogenen Möglichkeiten bestehen, zunächst in Musina aber auch an anderen Orten in Südafrika. Darüber hinaus organisiert die LCOF in Workshops für Geflüchtete und Migrant*innen an wichtigen Durchreiseorten im südlichen Afrika (z. B. in Malawi, Sambia oder Simbabwe), in denen im Netzwerk mit anderen NGO’s und Geflüchteten selbst Fluchtgründe genau angeschaut werden. Es wird über die tatsächliche Situation für Geflüchtete in Südafrika aufgeklärt. Die Hoffnung ist, dadurch einige Menschen von einer Flucht abbringen zu können, bei denen abzusehen ist, dass sie in Südafrika keine Chance auf ein besseres Leben haben werden.

Und immer gilt: Auch wenn man nicht der so hohen Anzahl an Geflüchteten nicht helfen kann, so ist doch die Hilfe für die Einzelne oder den Einzelnen, der/die Hilfe empfängt, häufig der Schritt hin zu einem besseren Leben. 

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