
Genug gesagt – jetzt gilt es, zukunftsfähig zu handeln
Wir sind aufgerufen zu einem nachhaltigen Perspektivwechsel, von einem „Ich“ zum „Wir“. Auch das ELM setzt mit seiner Arbeit Impulse für mehr Nachhaltigkeit.
Ein Text von Waldemar Rausch
Rückblickend ist viel passiert: Vor 50 Jahren, 1972, hat der „Club of Rome“ bereits die sich abzeichnende globale Krise benannt: Namhafte Wissenschaftler, die sich gut begründet Sorgen machen und die Weltgemeinschaft auf das Problem der endlichen Ressourcen unseres Heimatplaneten hinweisen. Sie appellieren an die Vernunft und fordern einen Wandel der Einstellung – weg von dem permanenten Wachstums-Streben hin zu einem nachhaltigen Umgang mit den begrenzten „Schätzen“ der Erde. Vom Immer-mehr-haben-Wollen einer profitorientierten Wachstumsgesellschaft, hin zu einem guten Leben (bon vivir) des Genug-Seins durch bescheidenen Wohlstand für alle auf dem Blauen Planeten.
„Epoche des kollektiven Wir“
Es braucht seit einem halben Jahrhundert einen Perspektivwechsel und das vor allem bei den Industrienationen, also bei uns. Im Rahmen des diesjährigen Treffens des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe hatten wir im Missionswerk den Kurzbesuch vom Generalsekretär der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Indien (UELCI), Pfr. Joshuva Peter. Im Gespräch stellte er deutlich fest, dass er die Frage des Klima-Notstands nicht mehr für fragwürdig halte. Dazu sei im Grunde genommen alles gesagt! Für ihn liegt nun die systemische Verantwortung und damit notwendende Handlungszwänge bei den Ländern des globalen Nordens. Die „Zeit des Egos“ sei vorüber und es folge nun die „Epoche des kollektiven Wir“, so Joshuva Peter. In Indien habe man auch theologisch dazu gearbeitet: Green Theology gehört in Indien seit Jahren fest zum Lehrplan an den Ausbildungsorten für die in Zukunft gemeindeleitenden Prediger*innen und Pfarrer*innen. Dabei kann es in seinen Augen ein Land nicht allein schaffen, klimarettend zu wirken, sondern es sei eine globale Aufgabe und damit auch Herausforderung für die Weltgemeinschaft. Gott traue uns das zu und es ist an uns, dieses Zutrauen auch verantwortungsbewusst in die Tat zu setzen. Globale Nachhaltigkeit ist ein Ziel, das nur kollektiv, also mit einem großen „Wir-Bewusstsein“ zu erreichen ist.
Die Vereinten Nationen (UN) sind schlussendlich der richtige Ort für das globale Wollen, Beraten, Entscheiden und Tun. So sah es auch die Weltgemeinschaft zur Jahrtausendwende als ihre globale Pflicht an, sich in ihrer Milleniums-Erklärung acht Zielen zu verschreiben: Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung und Umweltschutz wurden als die wichtigsten Ziele der internationalen Gemeinschaft festgeschrieben. Das Hauptaugenmerk lag hierbei auf dem Kampf gegen die extreme Armut: Armut wurde nicht mehr nur allein als Einkommensarmut verstanden, sondern umfassender als Mangel an Chancen und Möglichkeiten. Alle 193 Länder der UN verpflichteten sich, die Armut drastisch zu reduzieren und Ziele wie die Achtung der menschlichen Würde, Gleichberechtigung, Demokratie, ökologische Nachhaltigkeit und Frieden zu verwirklichen.
Die 17 SDGs – der Zukunftsvertrag des 21. Jahrhunderts
Im Vergleich zu früheren Entwicklungsdekaden waren die Ziele ganzheitlich umfassend, endlich konkret und mehrheitlich mit klarem Zeithorizont versehen. Erwähnenswert ist, dass sich nie zuvor neben Regierungen auch Unternehmen, internationale Organisationen, ebenso wie die Zivilgesellschaft so einstimmig zu den Zielen bekannt haben und sich einig waren, dass der Ausbreitung der Armut Einhalt geboten werden muss. Oberstes Ziel war die globale Zukunftssicherung durch mehr Verteilungs-, Bildungs- und Geschlechter-Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch ökologische Nachhaltigkeit! Die Bilanz 2015 fiel zwar nicht so positiv aus wie angestrebt, aber immerhin hat sich einiges im Bereich der Armutsbekämpfung gebessert, wie z.B. der Zugang zu sauberem Trinkwasser und weiterreichende Bildungsangebote zur Alphabetisierung. Der Weltgemeinschaft war schmerzlich bewusst, dass sie nun noch zielstrebiger vorgehen muss. Die Konferenz der UN zu Nachhaltiger Entwicklung hat auf ihrem Gipfeltreffen in New York vom 25. September 2015 die Agenda 2030 mit ihren 17 neuen Zielen für nachhaltige Entwicklung, den sog. sustainable development goals („SDGs“= nachhaltige Entwicklungsziele) beschlossen. Die 17 SDGs und die dazugehörigen 169 Unterziele bilden den programmatischen Rahmen zur Verwirklichung einer weltweiten nachhaltigen Gesellschaft – sie ist der Zukunftsvertrag der Weltgemeinschaft für das 21. Jahrhundert!1
Nun gilt dieser Zukunftsvertrag und damit die sog. große Transformation seit sieben Jahren - Halbzeit also - und wir haben uns natürlich auch im Ev.-Luth. Missionswerk in Niedersachsen seine Ziele zu eigen gemacht.
Globale Nachhaltigkeit bedeutet für uns, dass wir mit unseren Partnern in der Mission die kostbare Zeit dafür nutzen, Menschen zu sensibilisieren, zu unterstützen und uns auch selbst im eigenen Kontext zu motivieren, die negativen Tendenzen umzukehren und unsere Partnerschaftsarbeit zukunftsfähig zu gestalten.
Dazu bieten wir z.B. Programmangebote für Schulen und Konfirmand*innen-Gruppen in der Werkstatt Ökumenisches Lernen (WÖL) an. Da wird nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die globale Schieflage einmal spürbar gemacht, so dass Jugendliche die ungerechten Verhältnisse zwischen dem globalen Süden und Norden, wenn auch spielerisch, nacherleben können. Da habe ich schon so manches Mal in den Gesichtern der Jugendlichen lesen können, dass ihnen die Not recht deutlich vor Augen stand, die so viele Menschen dazu bewegt, ihre Heimat zu verlassen und sich auf die lebensgefährliche Flucht in Länder mit mehr Aussicht auf Sicherheit zu begeben.
Impulse im eigenen Kontext
Aktuell entsteht eine neue Dauerausstellung im Ludwig-Harms-Haus, wo demnächst „Besuchende, mit einem Augenzwinkern einen Typentest machen können: Welcher Engagement-Typ bin ich?“. So kann jede/r selbst für sich und mit anderen alltagstauglich und nachhaltig wirksame „Rettungsaktionen“ für unser Klima starten. In unseren Partnerkirchen in Äthiopien, Malawi, Südafrika, Brasilien und Indien fördern wir die unterschiedlichsten Projekte, die klimarettend wirken sollen. Das Spektrum reicht von Baumschulen und Aufforstungsprogrammen über Kompostier- und Trinkwasseranlage bis hin zu Photovoltaikanlagen, die alle die CO2-Bilanz global zu verbessern helfen – atmen wir doch alle dieselbe Luft und brauchen alle sauberes Wasser zum Leben. Da kann jedes Stück Boden und sei es auch ein Friedhof, der wieder für diverse Pflanzen und Tiere zur Verfügung gestellt wird, einen wertvollen Beitrag leisten, um unser Klima zu retten. Die in dieser Mitmachen-Ausgabe aufgeführten Artikel dienen alle dem einen Zweck, worauf uns die Nachhaltigkeitsziele auszurichten versuchen: Sie wollen Impulse sein, im eigenen Kontext, „alles zu prüfen und das Gute zu behalten“(nach 1. Thessalonicher 5,21), damit wir uns gemeinsam mit unseren Mitbewohner*innen des Blauen Planeten diesen Zielen mit Zukunft verschreiben. Genug gesagt – jetzt gilt es, zukunftsfähig zu handeln – Gott traut uns zu, dass wir die „große Transformation“ weltgemeinschaftlich hinbekommen!
Waldemar Rausch