
Vom Bildungsreferent zum Ausstellungsmanager
Interview mit Michael Charbonnier
ELM: Du hast die neue Ausstellung im Ludwig-Harms-Haus konzipiert, bist für den Aufbau und den weiteren Betrieb verantwortlich. Wie bist du Ausstellungsmanager geworden?
Michael Charbonnier: Ich war vorher Bildungsreferent im ELM und für Jugendarbeit und „Globales Lernen“ zuständig. Irgendwann – das muss so im Frühsommer 2021 gewesen sein – stand ich mit zwei Abteilungsleitenden auf dieser Fläche im Ludwig-Harms-Haus, auf der ja früher auch schon Ausstellungen gezeigt wurden und fragte: Soll hier nicht wieder eine Ausstellung rein? Wir machen doch in der Jugendarbeit viel zu den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, das würde doch gut hierher passen. Daraufhin wurde ich aufgefordert, doch mal ein Konzept zu entwerfen und dann könne man ja weitersehen. Lange Zeit dachte ich, ich schreibe das, damit jemand anderes es dann umsetzen kann. Aber irgendwann hatte ich einen Punkt erreicht, an dem ich schon so viel in diesem Konzept festgelegt hatte, dass ich dachte: Entweder macht das jetzt jemand anderes und es wird total gut und dann ärgere ich mich, weil ich das vielleicht auch gekonnt hätte, jetzt, wo ich mir so viel überlegt habe. Oder es wird schlecht und dann ärgere ich mich genauso, weil ich wüsste, wie es hätte besser werden können.
Was hat dich an der Aufgabe gereizt?
Gereizt hat mich dieses Gestalten-Können, so viele Dinge ausarbeiten zu können. Und ich hatte ja auch - als ehemaliger Lehrer - immer diesen pädagogischen Gedanken im Kopf: Ich wollte, dass es total Spaß macht, durch diese Ausstellung zu gehen. Was macht für dich eine attraktive Ausstellung aus? Ich kenne viele Ausstellungen, wo man nur lesen und was anschauen kann. Mein Ziel war es aber, etwas zu machen, wo man selber etwas tun, wo man spielen und etwas erleben kann. Das ist herausfordernd, weil die SDGs eben sehr theoretisch sind. Im Vergleich zum Beispiel zu einer „Spieleausstellung zur Physik“ ist es hier viel schwieriger, etwas Erlebbares zu entwerfen. Es gibt aber ganz viele Methoden, die Leute wach machen, begeistern, ins Tun und in Austausch bringen und das muss alles an der richtigen Stelle sitzen und mit den richtigen Methoden umgesetzt sein. Dann funktionierts. Eine tolle Methode, die an der falschen Stelle kommt, macht keinen Spaß. Ich habe in der Ausstellung versucht, die Stationen und Bereiche so zu gestalten, dass man verschiedene Stimmungen so durchläuft, dass man am Ende möglichst erfrischt wieder rauskommt und nicht
nur zwei Stunden lang irgendwelche Texte durchgelesen hat.
Was erhoffst du dir von der Ausstellung? Was sollen die Besucher und Besucherinnen, die da durchgehen, am Ende mitnehmen?
Das offizielle Ziel ist ja, dass Menschen ermutigt und motiviert werden, selber an einer besseren Welt mitzuwirken. Während der Planung habe ich manchmal gedacht, das ist alles ein bisschen hochgesteckt, aber letztendlich glaube ich doch, dass es genau darum geht. Im Moment fehlen positive Zukunftsbilder. Überall sieht es nach Krise aus. Vieles verändert sich und es wird immer vor allem geguckt, wo die Probleme sind und wo man ganz dringend reagieren muss. Aber es gibt keine Vision, wie es dann insgesamt gut werden könnte. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer irgendwelche positiven Erzählungen, was die Zukunft bringt. Aber im Moment bringt die Zukunft die Klimakrise, die Migrationskrise, das Artensterben und der Populismus wird stärker. Es gibt keine große positive Erzählung, was sein könnte. Ich erhoffe mir von dieser Ausstellung, dass die Menschen da rausgehen und sagen: Das ist ja gar keine Utopie mehr, sondern an diesen Zielen, den SDGs, wird seit 15 Jahren gearbeitet und es wird reale Politik daraus. Der europäische Green Deal ist zum Beispiel zurückzuführen auf die SDGs. Das ist alles schon Realität, die nur nicht so viel Beachtung findet.
Mein Wunsch ist, daran mitzuwirken, dass wir im Bewusstsein haben: Die Welt ist auch ziemlich gut. Die Ausstellung soll Menschen auch animieren, sich selber auf den Weg zu machen, an einer besseren Zukunft zu arbeiten und sich zu engagieren. Wie geschieht das?
Es gibt zum Beispiel in einem Bereich einen Typen-Test, wo man herausfinden kann, welcher Engagementtyp man selber ist. Und wenn man das dann herausgefunden hat, gibt es Vorschläge für Angebote, die man wahrnehmen kann. Auch bei den SDGs gibt es Hinweise, was man tun kann, um daran mitzuwirken. Wir können alle selber etwas tun, es kann besser werden. Ein Beispiel dafür, dass jeder etwas ändern kann, ist für mich die Politik, die Netflix fährt. Bei allem, was sie selber produzieren, besetzen sie Rollen divers, das heißt mit queeren Menschen, mit behinderten Menschen, mit Menschen aller Hautfarben, ohne das explizit zum Thema zu machen. Das führt dazu, dass man das völlig normal findet. Auch die Ausstellung ist ein Ort, wo Menschen hingehen, einfach weil sie was erleben wollen und hier sehen sie: Es kann normal sein, dass alles divers, nachhaltig, gerecht und friedlich ist. Je mehr Menschen damit in Berührung kommen, desto mehr denken sie selber so.